Der Herr der Falken - Schlucht
werden. Das weiß jeder. Es ist nur eine Frage der Zeit. Laß den Unsinn, Kerek.«
»Nicht, wenn Ihr kommt, nicht wenn Ihr zusammen mit Turella das Land regiert.«
Sie zerrte an seinem Ärmel und versuchte ihn zu schütteln. »Schau mich an, Kerek. Ich bin nur eine Frau. Ich trage ein Tuch um den Kopf und habe gerade Brotteig geknetet. Sieh, ich habe noch das Mehl an den Händen. Das hier ist unser Hof, das ist mein Leben. Ich habe nichts mit dem Danelagh zu tun, nichts mit Turella. Ich bin keine Kriegerin.«
»Ich bringe Euch zu Turella, Chessa. Sie hat mir den Auftrag erteilt. Ich muß es tun.«
»Ich gehe nicht mit dir. Wenn du versuchst, mich zu zwingen, wirst du es bereuen, Kerek. Das schwöre ich dir.«
Ihre Drohung hatte keineswegs die erhoffte Wirkung auf ihn. Er grinste nur breit. »Ja. Ich werde Euch sehr sorgfältig bewachen müssen, sonst bringt Ihr mich um. Es ist diese Leidenschaft in Euch, Chessa, diese Willenskraft, genau das zu tun, was Ihr androht, diese Entschlossenheit, die Euch so wunderbar furchterregend macht. Ragnor und auch die Sachsen werden es sich zweimal überlegen, bevor sie sich mit Euch anlegen. Ihr seid nicht dumm, Ihr werdet handeln, ungeachtet der Konsequenzen für Euch selbst. Warum erkennt Ihr Eure Bestimmung nicht? Ihr kommt mit mir. Turella wird glücklich und das Danelagh gerettet sein.«
Sie hätte ihm am liebsten ins Gesicht geschlagen, um ihn zur Vernunft zu bringen. Doch er hielt sie fest, und er war sehr stark. »Ich tu es nicht«, entgegnete sie eigensinnig.
Er schien die Geduld immer noch nicht zu verlieren. »Hört zu, Turella hat an alles gedacht. Sie ist überzeugt, daß Cleve Euch bald vergißt. Er wird Euch für tot halten, wenn er Euch nirgends finden kann. Er wird um Euch trauern. Aber wie lange trauert ein Mann schon um eine Frau, Prinzessin? Bald wird er sich eine neue Frau nehmen und mit ihr glücklich werden. Ihr müßt Euch keine Sorgen machen, daß er lange leidet, wenn Ihr fort seid. Turella wird Euch mit Ragnor verheiraten. Niemand wird erfahren, daß es nur eine Scheinehe ist. Das wissen nur Turella, Ihr und ich. Sie ist sicher, daß Ihr Euch einverstanden erklärt, um Rorik und Mirana und die Habichtsinsel zu retten. Vergeßt nicht, Chessa, Ragnor hat als König viele Soldaten unter seiner Befehlsgewalt. Sie folgen ihm, auch wenn sie sein Tun nicht billigen. Treue und Ergebenheit bedeuten den Wikingern viel, wie Ihr wißt. Er wird die Habichtsinsel überfallen und zerstören. Er liebt es, Tod und Vernichtung zu verbreiten.«
»Dennoch willige ich nicht ein. Komm, Kerek, komm ins Haus und sprich mit Cleve darüber. Wir werden eine Lösung finden, die dir, Turella und der Habichtsinsel von Nutzen ist. Bitte, komm ins Haus.«
»Nein«, sagte er. Dieses Nein klang kalt und unwiderruflich, und sie wußte, daß jedes weitere Wort vergebens war. Sie holte tief Luft, lächelte und sagte: »Ich bin mit Cleves Kind schwanger.«
Er blickte sie fassungslos an, dann warf er den Kopf in den Nacken und lachte. Eine Kuh muhte, eine Ziege stieß einen Holzkübel um.
»Auch Cleve lachte, als ich ihm diese Eröffnung machte«, sagte sie. »Aber diesmal sage ich die Wahrheit, Kerek. Ich bin schwanger. Cleve und ich haben im Sommer geheiratet.«
Sein Lachen erstarb. Er legte seine flache Hand auf ihren Bauch, spürte die leichte Wölbung und erbleichte. »Nein«, stöhnte er. »Oh nein. Das haben wir nicht bedacht.« Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Dann umklammerte er ihren Arm und zog sie nahe zu sich. Er dachte angestrengt nach. Schließlich erhellte sich sein Gesicht. »Es macht nichts. Wir müssen Euch so schnell wie möglich nach York bringen. Wir werden verkünden, es sei Ragnors Kind, wie schon einmal. Turella wird begeistert sein. Sie wollte immer, daß Ihr regiert und nach Euch Cleves Sohn. Ja, so wird es sein. Alles wird gut. Das ist sogar besser, als Turella oder ich erwartet haben. Ihr habt mich nicht enttäuscht, Prinzessin.«
»Ich verlasse Cleve und Kiri nicht«, beharrte sie. »Und wenn du mich nach York verschleppst, tue ich es dennoch nicht. Ich heirate Ragnor niemals, ich werde auch niemals Turellas Schwiegertochter. Nein, und nochmals nein.«
Kerek lächelte sie traurig an. »Ihr werdet es tun, Chessa. Jetzt müßt Ihr Euer Kind beschützen.«
Cleve stieß den Lederball mit dem Fuß zu Kiri, die ihn hochhob und dem kleinen Torik zuwarf, der ihn von seiner Brust abprallen ließ.
Kiri schalt ihn, bis Inga, Askholds Frau sich
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