Der Herr der Habichts - Insel
sie hoch, hielt sie an sich gedrückt und schaute auf sie herab. »Komm«, sagte er wieder und zog sie hinter sich her aus dem Haus.
Der Mond stand hell am Himmel. Mirana wußte, daß dies die Nacht für ihre Flucht war. Eine bessere würde es lange nicht geben. Aber was war mit Rorik, ihrem Gemahl, dem Mann, der ihr so fremd geworden war und der ihr Furcht einflößte?
Er zog sie in den Stall und machte den Verschlag zu. Die Tiere waren ruhig. Wortlos zog er sie auf einen Strohhaufen.
Er machte sich nicht die Mühe, sie zu entkleiden, schob ihr nur Rock und Leinenhemd bis zu den Hüften hoch. Dann kauerte er sich auf die Fersen und betrachtete sie genußvoll.
»Du bist schön«, sagte er mit einem Stirnrunzeln, legte seine flache Hand auf ihren Bauch und ließ seine Fingerkuppen nach unten wandern. Seine Augen funkelten. Seine Finger fanden ihre Weiblichkeit und umkreisten sie spielerisch. Mirana hielt den Atem an. Ein nie gekanntes Gefühl glühte in ihr auf, ein beinahe schmerzhaftes Verlangen. Feuchte Hitze, die sie verwirrte und zugleich beglückte.
»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, sagte er plötzlich mit zorniger Stimme. Ohne ein weiteres Wort öffnete er seine Hosen und fiel über sie her. Er öffnete sie, sie begann sich gegen ihn zu wehren, und ihr Verlangen wurde von Furcht überschwemmt.
Plötzlich krallte sich ein Schmerz wie Habichtsklauen in ihrem Magen fest. Mit einem Schmerzenslaut krümmte sie sich zusammen.
Er stützte sich auf die Ellbogen. »Hör auf, dich gegen mich zu wehren.« Ihr Atem ging stoßweise, ihre Augen waren schreckgeweitet, aber nicht aus Angst vor ihm. »Was ist los?«
»Mein Magen«, stieß sie hervor und schob ihn von sich. Wieder krümmte sie sich, von einer Schmerzwelle ergriffen.
Sie rollte leise wimmernd zur Seite, die Arme um ihren Leib geschlungen.
»Was ist los?« fragte er besorgt.
»Ich weiß nicht. Ich habe Schmerzen, Rorik.« Die Krämpfe kamen in kurzen Abständen. Sie würgte, kam auf die Knie, bäumte sich auf und erbrach das Abendessen, bis nur noch Schleim kam, doch immer noch würgte sie zuckend und erbrach Flüssigkeit.
Er strich ihr das Haar aus dem schweißnassen Gesicht, hielt ihre Schultern fest und spürte die gewaltsamen Zuckungen, die ihren ganzen Körper erfaßten.
Sie würgte und übergab sich, bis sie zu schwach war, um sich auf den Knien zu halten, und gegen seine Brust sank.
»Du hast etwas Falsches gegessen«, sagte er. »Wahrscheinlich ist den anderen auch übel geworden. Bleib liegen. Ich hole Wasser, damit du dir den Mund spülen kannst. Ich bin gleich zurück, Mirana.«
Als Rorik wiederkam, hielt er sie an sich gelehnt und flößte ihr ein wenig Wasser ein. Sie spuckte es aus, dann nahm sie einen Schluck. Sofort krampfte sich ihr Magen wieder zusammen. Sie stöhnte auf.
»Asta ist krank«, sagte er. »Sonst niemand.«
Mirana sagte nichts. Sie wollte nur noch sterben. Sie schloß die Augen, ihr Kopf sank an seine Brust.
»Ich bringe dich in meine Schlafkammer. Meine Eltern können im großen Raum schlafen.«
Wie sollte sie die Flucht bewerkstelligen? dachte sie benommen. Die nächste Krampfwelle überflutete sie. Der Schweiß brach ihr aus allen Poren. Sie wußte, daß sie sterben würde.
Sie erbrach die ganze Nacht. Verschwommen nahm sie Roriks Mutter wahr, die ihr einen Becher an die Lippen setzte und ihr befahl zu trinken. Einen Sud aus Bitterwurz, um ihren Magen zu beruhigen, sagte sie. Ob die Frau ihr Gift einflößte, damit sie einschlief, um nie wieder aufzuwachen? Es war ihr gleichgültig. Sie trank. Das Gebräu schmeckte sauer wie verdorbene Milch. Doch ihr Magen beruhigte sich tatsächlich, und sie schlief, bis sie erneut von Magenkrämpfen geweckt wurde.
Diesmal saß die Alte Alna bei ihr und wischte ihr das Gesicht mit einem kühlen, feuchten Tuch ab. Das war wohltuend. Sie redete davon, daß es viel geregnet habe und das Getreide gut wuchs. Bald würde der lange Sculla mit den Armen wedelnd durch die Gerste stapfen, um die Vögel zu vertreiben. Mirana fragte sich, warum sie ihr das erzählte. Sie würde ohnehin sterben.
Einmal wachte sie auf und glaubte, über sich zu schweben. Sie fühlte sich leicht und körperlos, losgelöst wie eine Wolke im Frühlingswind. Schwerelos suchte sie nach einem Sinn, nach der Bedeutung des Lebens. Und dann war sie wieder in ihrem Körper und wollte sterben, um die Qualen der Krämpfe nicht ertragen zu müssen.
Rorik war immer da, lag entweder neben ihr oder redete mit
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