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Der Herr der Lüfte

Der Herr der Lüfte

Titel: Der Herr der Lüfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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spöttisch an - »ist es seltsam, daß Sie an einem völligen Gedächtnisverlust leiden wollen und doch genau wissen, daß Sie keinen Bruder haben. Wollen Sie hierbleiben und sich eine Weile unterhalten, oder wollen wir anderswo hingehen und etwas trinken?«
    »Ich bin gar nicht überzeugt, auch nur eines von beidem zu wollen, Mr. Dempsey. Schließlich haben Sie mir immer noch nicht erklärt, wie Sie dazu kamen, mich auf solche Weise irrezuführen. Es wäre ein grausamer Trick gewesen, wenn ich Ihnen geglaubt hätte.«
    »Vermutlich«, gab er unbefangen zu. »Andrerseits haben Sie wahrscheinlich einen guten Grund, eine Amnesie vorzutäuschen . Vielleicht haben Sie etwas zu verbergen? Haben Sie deshalb den Behörden Ihre wahre Identität nicht enthüllt?«
    »Was ich zu verbergen habe, geht nur mich etwas an. Und ich kann Ihnen versichern, Mr. Dempsey, daß Oswald Bastable der einzige Name ist, den ich schon immer getragen habe. So - ich wäre dankbar, wenn Sie mich nun in Ruhe ließen. Ich habe genügend andere Probleme zu bewältigen.«
    »Aber deshalb bin ich ja hier, Bastable. Um Ihnen bei der Lösung Ihrer Probleme zu helfen. Es tut mir leid, wenn ich Sie beleidigt haben sollte. Ich bin wirklich gekommen, um Ihnen zu helfen. Geben Sie mir eine halbe Stunde.« Er schaute sich um. »Um die Ecke ist ein nettes Lokal, wo wir etwas trinken könnten.«
    Ich seufzte. »Na schön.« Letzten Endes hatte ich nichts zu verlieren. Einen Augenblick lang fragte ich mich, ob dieser dünkelhafte, so kühle und selbstbeherrschte junge Mann wirklich wußte, was mir widerfahren war. Doch dann verwarf ich den Gedanken wieder.
    Wir verließen den KAC und betraten die Burlington-Passage, einen der wenigen Flecken, der sich seit 1902 nicht sehr verändert hatte, und bogen in die Jermyn Street ein. Schließlich blieb Cornelius Dempsey an einer schmucklosen Tür stehen und betätigte mehrmals den Messingtürklopfer, ehe geöffnet wurde. Eine alte Frau spähte heraus, erkannte Dempsey und ließ uns in einen düsteren Korridor treten. Irgendwo von unten erklangen Stimmen und Gelächter, und nach dem Geruch zu urteilen mußte es sich um eine Art Clubbar handeln. Wir stiegen einige Stufen hinab und betraten einen schwach erleuchteten Raum, in dem ein paar rohe Tische aufgestellt waren. Daran saßen junge Männer und Frauen, die nach der gleichen Mode wie Dempsey gekleidet waren. Ein paar grüßten ihn, während wir uns unseren Weg zwischen den Tischen hindurch bahnten und in einer Nische Platz nahmen. Sogleich kam ein Kellner, und Dempsey bestellte eine Flasche roten Tischwein. Ich fühlte mich äußerst unbehaglich, allerdings nicht ganz so jämmerlich wie in meinem eigenen Club. Dies war mein erster Blick auf eine Seite des Londoner Lebens, deren Existenz ich bislang kaum wahrgenommen hatte. Als der Wein kam, stürzte ich ein großes Glas auf einen Zug hinab. Wenn ich schon ein Ausgestoßener sein sollte, dachte ich bitter, dann mußte ich mich wohl an diese Art Lokal gewöhnen.
    Dempsey beobachtete mich beim Trinken mit einer Miene insgeheimer Erheiterung. »Sie waren wohl noch nie in einer Kellerbar, hm?«
    »Nein.« Ich schenkte mir aus der Flasche ein neues Glas ein.
    »Hier können Sie entspannen. Die Atmosphäre ist recht frei und ungezwungen. Schmeckt Ihnen der Wein?«
    »Danke, gut.« Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und versuchte, Selbstsicherheit zur Schau zu tragen. »Und was soll das nun alles, Mr. Dempsey?«
    »Ich gehe davon aus, daß Sie im Augenblick arbeitslos sind.«
    »Das wäre untertrieben. Vermutlich bin ich unvermittelbar.«
    »Eben, genau darum geht es. Ich weiß zufällig einen Job, falls es Sie interessiert. Auf einem Luftschiff. Ich habe mit dem Kapitän schon gesprochen, und er ist bereit, Sie zu nehmen. Er kennt Ihre Geschichte.«
    Ich wurde mißtrauisch. »Was für eine Art Job, Mr. Dempsey? Kein anständiger Kapitän würde…«
    »Der Kapitän ist einer der anständigsten Männer, die jemals ein Schiff kommandiert haben.« Er gab seine scherzhafte Sprechweise auf und wurde nun ernst. »Ich verehre ihn tief und weiß, daß Sie ihn mögen würden. Er ist aufrecht wie ein Ladestock.«
    »Aber warum…?«
    »Sein Schiff ist ein ziemlich alter Kasten. Mit keinem der großen Linienschiffe oder so etwas zu vergleichen. Es ist altmodisch und langsam und befördert hauptsächlich Fracht. Waren, an denen andere Leute kein Interesse zeigen. Kleine Aufträge. Manchmal auch gefährliche Aufträge. Sie kennen diese

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