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Der Herr der Ohrringe (German Edition)

Der Herr der Ohrringe (German Edition)

Titel: Der Herr der Ohrringe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myk Jung
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durcheinander zu würfeln! Was könnt ihr froh sein, dass ihr Sterbliche seid! Da schafft man ja höchstens ein einziges Jahrhundert – und kann es also nicht mit einem zweiten verwechseln. Was für eine Segensgabe!«
    Er seufzte, und dann grübelte er: »Doch sehe ich hier nur sieben. Solltet ihr nicht ein oder zwei mehr sein? Wo sind die Fehlenden? Ich kann sie aus ferner Weite nicht sehen.« Vielleicht war dies nicht einmal verwunderlich, dachten die Gefährten, und es fielen ihnen direkt zwei Gründe ein: zum ersten streckten sich ringsum Schatten aus, die länger wurden, und zum zweiten kann man ohnehin von weitem manches schlechter erkennen als von nahem. Hatte sich Tele-Porno hier etwa einer verrenkt wirkenden Plattitüde bedient?
    Gard Ariel hatte wohl ebenfalls über das ewige Gegenüber von Nah und Fern nachgedacht, denn sie sprach nun kühl: »Ihr seht auch auf kurze Distanzen schlecht, o Herr und Gemahl. Was Eurer unnachahmlichen Weisheit jedoch keine Scharte zufügt. Hier sind acht. Allein einer fehlt. Ganzhalb der Graue fiel in den Abgrund von Glorya.«
    Da kräuselte Tele-Porno die matt schimmernde Stirn. »Ganzhalb? War das nicht dieser junge Zauberer? Das ist aber schlimme Post! Oder ist es keine schlimme Post? Wie schade, dass er fiel. Oder ist es nicht schade? Ich verwechsel’ manchmal was.«
    »Wir sind uns in dieser Sache auch noch nicht sicher«, sagte Marathorn. »Aber wir verstehen nicht die Eigentümlichkeit Eures Vokabulars« – und hier bezog er sich auf die postalische Zwischenpassage. »Handelt es sich um eine Neuübersetzung des Blauen Buches? «
    Gard Ariel aber sprach schnell, da sie wusste, dass nun kontroverse Themen angesprochen werden könnten: »Sieh, Tele-Pono, sie schenkten mir diesen schönen Ohrring!« Und sie hielt den Einen in der Hand. »Ob ich mich direkt einmal mit ihm schmücken soll?«
    »Ein wundervolles Juwel!«, jauchzte Tele-Porno, bevor er abrupt sein Jauchzen beendete. »… Aber es wird doch wohl nicht einer dieser Einen sein, von denen wir hörten, dass sie jetzt überall durch die Ebenen und Hochtäler geschleppt werden? Du weißt, dass du die nicht verträgst, Weib! Und du wolltest es dir merken, wahrscheinlich um es nicht zu vergessen: wenn du einen von denen trägst, werden dich zwar alle lieben – doch noch inbrünstiger verzweifeln, als sie es jetzt schon tun!«
    Da wandte sich die Herrin an die Gefährten. »Dies wird doch nicht der Eine Ohrring sein, ihr von langen Wanderungen Ausgezehrten?«
    »Eigentlich schon«, sagte Legospass. »Aber nur, wenn man’s haargenau nimmt.«
    »Vielleicht dürfen wir ungenau sein«, schlug Frohdoof vor. »Nimm ihn, Herrin, und dann nimm mich!«
    Da wagte Gard Ariel es nicht, den Ohrring anzustecken, und ihre Hoffnung zerstob, und die Düsternis ihres Gemüts übertrug sich auf den Weißgoldenen Wald. Und es ward still unter den Zweigen Devotiens, und alle Vögel fielen ächzend zu Boden, und alle Lieder und Geschichten fanden ein Ende. Von übergroßer Enttäuschung und beutelndem Zorn zernagt, was ihrer bis zu diesem Zeitpunkt vollkommenen Schönheit einige Makel beibrachte, wandte sich Gard Ariel in schwarzer Wut (bar jeglicher Hoffnung) von der Gemeinschaft des Einen Ohrrings ab – warf ihnen zuvor aber noch den Ohrring hinterher. Und sie ließ nach dem Waldalbernen namens Haldë schicken, der seit Urzeiten dafür zuständig war, ungelittene Gäste zur Landesgrenze zu führen. »Fertige sie schnell ab, Haldë!« befahl sie unwirsch. »Und vergiss nicht, ihnen keine Geschenke mitzugeben!«
    Da quengelte Samenweis ein bisschen. »Keine Geschenke? Auch nicht vielleicht… eine kleine Lampe, Herrin? Für ganz üble Momente an finsteren Orten, wohin kein Licht kommt? Oder so?« Fruchtlos aber blieb sein Quengeln.

Achtundzwanzigstes Kapitel:
Vom Auseinanderbrechen
    Jenseits des Waldsaums von Devotien, in der Einöde, wohin Haldë sie entlassen hatte, ohne zu winken übrigens, wie die Gefährten voller Bitterkeit hatten feststellen müssen, lugten sie in alle möglichen Richtungen, zumindest in die, die sich ihnen offenbarten. So suchten sie ferne und nähere Horizonte mit weit schweifenden Blicken ab, und sie taten dies auf Geheiß Marathorns, der solches Tun als unerlässlich für durch die Wildnis Wandernde hielt, wie ihm wohl plötzlich eingefallen war. Umständlich wies der Dauerläufer sie an, mit den Händen die Augen zu beschatten, obgleich kaum ein Licht die schwarzgrauen Himmel erleuchtete, eigentlich sogar

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