Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
Gandalf.
»Dann wollen wir uns alles noch mal durch den Kopf gehn lassen, während die anderen ausruhen und schlafen«, sagte Aragorn.
Am späten Nachmittag, als die anderen ihr Frühstück beendeten, gingen Gandalf und Aragorn zusammen beiseite und blickten zum Caradhras hinauf. Die Hänge waren jetzt dunkel und abweisend, der Gipfel in grauem Gewölk. Frodo beobachtete sie, gespannt, wie der Streit entschieden würde. Als sie zur Gruppe zurückkamen, ergriff Gandalf das Wort, und Frodo wusste gleich, dass sie beschlossen hatten, es mit dem Wetter und dem Pass aufzunehmen. Er war erleichtert. Welches der andere, der dunkle und geheime Weg wäre, wusste er nicht, aber schon dessen Erwähnung hatte Aragorn offenbar in Schrecken versetzt, und Frodo war froh, dass der Gedanke an ihn aufgegeben worden war.
»Nach den Anzeichen, die wir in letzter Zeit gesehen haben«, sagte Gandalf, »befürchte ich, dass das Rothorntor überwacht wird; und ich traue auch dem Wetter nicht, das hinter uns heraufzieht. Es wird vielleicht schneien. Wir müssen so schnell gehen wie möglich. Trotzdem werden wir mehr als zwei Nachtmärsche brauchen, ehe wir auf der Passhöhe sind. Heute Abend wird es früh dunkel. Wir müssen schleunigst aufbrechen, sobald ihr fertig seid.«
»Ich darf noch einen Rat hinzufügen«, sagte Boromir. »Ich bin zu Füßen des Weißen Gebirges geboren und weiß einiges über Höhenwanderungen. Bevor wir auf der anderen Seite hinabsteigen, werden wir es mit schneidender Kälte zu tun bekommen, wenn nicht mit Schlimmerem. Alle Heimlichkeit nützt uns nichts, wenn wir dabei erfrieren. Von hier, wo noch ein paar Bäume und Büsche wachsen, sollte jeder von uns, wenn wir losgehen, ein Bündel Holz mitnehmen, so viel, wie er eben tragen kann.«
»Und Lutz, mein Junge, du kannst auch noch ein bisschen mehr auf den Rücken nehmen, nicht wahr?«, sagte Sam. Das Pony sah ihn wehmütig an.
»Na schön«, sagte Gandalf. »Aber wir sollten das Holz nicht benutzen – es sei denn, wir hätten nur noch die Wahl zwischen Feuer und Tod.«
Zuerst ging es flott voran, aber bald wurde der Weg steil und mühsam. Die in Windungen ansteigende Straße war an vielen Stellen fast verschwunden und von herabgestürzten Steinen versperrt. Unter dicken Wolken wurde die Nacht stockfinster. Ein beißender Wind wirbelte um die Felsen. Um Mitternacht waren sie von den Füßen erst bis zu den Knien der Berge aufgestiegen. Der schmale Pfad wand sich nun unter einer steilen Wand zur Linken dahin; darüber türmten sich unsichtbar die grimmigen Flanken des Caradhras in die Höhe; und zur Rechten stürzte der Boden jäh in eine tiefe schwarze Schlucht ab.
Sie keuchten einen steilen Hang hinauf und blieben oben einen Moment stehen. Frodo spürte eine sanfte Berührung im Gesicht.Er streckte den Arm aus und sah die mattweißen Schneeflocken auf seinem Ärmel.
Sie gingen weiter. Aber es dauerte nicht lange, und der Schnee fiel dichter, füllte die Luft und wirbelte Frodo in die Augen. Gandalfs und Aragorns dunkle, gebeugte Gestalten, wenige Schritt voraus, waren kaum mehr zu erkennen.
»Passt mir überhaupt nicht, so was!« stöhnte Sam, gleich hinter ihm. »Schnee an einem schönen Wintermorgen – nichts dagegen, wenn ich im Bett liegen bleiben kann, solange er fällt. Wenn der doch jetzt in Hobbingen runterkäme! Da wär er willkommen.« Außer auf den Hochmooren im Nordviertel waren starke Schneefälle im Auenland selten und wurden als vergnügliche Abwechslung betrachtet. Den Harten Winter von 1311, als die weißen Wölfe über den zugefrorenen Brandywein ins Auenland eindrangen, hatte (außer Bilbo) kein Hobbit mehr miterlebt.
Gandalf hielt an. Der Schnee lag dick auf seiner Kapuze und seinen Schultern; an den Stiefeln reichte er ihm schon bis zu den Knöcheln.
»Das hatte ich befürchtet«, sagte er. »Was sagst du nun, Aragorn?«
»Auch ich hatte es befürchtet«, sagte Aragorn, »nur hatte ich anderes noch mehr befürchtet. Dass Schnee fallen könnte, wusste ich, obwohl so weit im Süden selten viel davon fällt, es sei denn hoch in den Bergen. Aber wir sind noch nicht hoch, wir sind noch tief unten, wo die Wege gewöhnlich den ganzen Winter schneefrei sind.«
»Ich frage mich, ob dies eine List des Feindes ist«, sagte Boromir. »In meinem Land sagt man, die Stürme im Schattengebirge an Mordors Grenzen könne er lenken. Er hat seltsame Kräfte und viele Verbündete.«
»Sein Arm müsste schon sehr weit reichen«, sagte Gimli,
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