Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
Feldern deutlich erkennen konnten, abgesehen von den sich stetig vermehrenden Bränden und den Flammenreihen, die immer länger wurden und immer schneller näher kamen. Endlich, weniger als eine Meile vor der Stadt, kam ein leidlich geordneter Menschenhaufen in Sicht, der noch geschlossen marschierte, nicht rannte.
Die Beobachter hielten den Atem an. »Das muss Faramir sein«, sagten sie. »Er kann Mensch und Tier meistern. Er wird es schaffen.«
Nun war die Schar keine vierhundert Schritt mehr entfernt. Aus dem Dunkel dahinter galoppierte ein kleiner Reitertrupp heran, alles, was von der Nachhut noch übrig war. Noch einmal machten sie kehrt und stellten sich den nahenden Flammenreihen entgegen. Dann plötzlich gab es ein wildes Geschrei und Getöse. Feindliche Reiter preschten heran. Die Flammenreihen wurden zu Sturzbächen, eine Rotte fackelschwingender Orks nach der andern und wilde Südländer unter roten Fahnen stürmten vor, aus rauhen Kehlen brüllend, und überholten den Rückzug. Und mit einem durch Mark und Bein dringenden Schrei stürzten aus dem dunklen Himmel die geflügelten Schatten, die Nazgûl, zum Todesstoß herab.
Aus dem Rückzug wurde Flucht. Schon lösten die Reihen der Menschen sich auf, einzelne rannten kopflos hierhin und dorthin, warfen die Waffen weg, brüllten auf vor Angst, stürzten zu Boden.
Und dann erschallte eine Trompete von der Zitadelle, und endlich gab Denethor Befehl für den Ausfall. Im Schatten des geöffneten Tors und draußen am Fuß der hohen Mauern hatten sie auf sein Signal gewartet: alle Berittenen, die noch in der Stadt waren. Nun trabten sie an, formierten sich, gingen in Galopp über und stürmten mit einem lauten Schlachtruf vorwärts. Und von den Mauern kam ein Ruf zur Antwort. Zuvorderst ins Feld ritten die Schwanenritter von Dol Amroth mit ihrem Fürsten und seinem blauen Banner an der Spitze.
»Amroth für Gondor!«, riefen sie. »Amroth zu Faramir!«
Wie Blitz und Donner prallten sie auf die Feinde zu beiden Seiten der Rückzugsschar; aber ein Reiter, schnell, wie der Wind durchs Gras streicht, war ihnen allen voraus: Schattenfell trug ihn, und er schimmerte wieder in unverhülltem Glanz, und von seiner erhobenen Hand ging ein Lichtstrahl aus.
Kreischend flatterten die Nazgûl davon, denn der Feldherr war noch nicht gekommen, der es mit dem weißen Feuer dieses Feindes aufnehmen konnte. Die Morgulscharen, die sichere Beute schon vor Augen und nun unversehens von der vollen Wucht der Attacke getroffen, lösten sich auf und zerstoben wie Funken in einem Sturm.Jubelnd machten die Männer von den Wehrtürmen kehrt und metzelten ihre Verfolger nieder. Jäger wurden zu Gejagten. Der Rückzug wurde zum Gegenstoß. Das Schlachtfeld war übersät mit erschlagenen Orks und Menschen; und von den weggeworfenen Fackeln, die in wirbelnden Qualmschwaden ausbrannten, stieg ein beißender Gestank auf. Die Reiterei setzte nach.
Aber Denethor ließ sie nicht weit vorstoßen. Obwohl der Feind zum Halten gebracht und für den Augenblick sogar zurückgeschlagen war, strömten doch neue Streitkräfte in großer Zahl von Osten heran. Wieder erschallte die Trompete, diesmal mit dem Rückzugssignal. Die Reiterei von Gondor hielt. Von ihr abgeschirmt, konnten die Außenkompanien sich neu formieren. Nun kamen sie in Reih und Glied zum Tor marschiert. Erhobenen Hauptes traten sie ein, und die Leute in der Stadt betrachteten sie voll Stolz und begrüßten sie mit Hochrufen; und doch wurde ihnen bang ums Herz. Denn die Kompanien waren entsetzlich zusammengeschmolzen. Ein Drittel seiner Mannen hatte Faramir verloren. Und wo war Faramir selbst?
Er kam als Letzter von allen. Seine Mannen schritten durchs Tor. Die Berittenen kehrten zurück, mit dem Banner von Dol Amroth und dem Fürsten als Nachhut. Und in den Armen hielt der Fürst vor sich auf dem Pferd seinen Vetter Faramir, Denethors Sohn, so wie man ihn auf dem Schlachtfeld gefunden hatte.
»Faramir! Faramir!«, riefen die Menschen und weinten auf offener Straße. Er aber gab keine Antwort, und so trug man ihn die gewundene Gasse hinauf zur Zitadelle und zu seinem Vater. Als die Nazgûl schon dem Angriff des Weißen Reiters auswichen, kam noch ein Pfeil geflogen, und Faramir, der eben einen berittenen Helden aus Harad in Schach hielt, war zu Boden gestürzt. Nur die Attacke der Ritter von Dol Amroth hatte ihn davor bewahrt, von den roten Südlandschwertern zerhackt zu werden.
Fürst Imrahil brachte Faramir in den Weißen Turm,
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