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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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kosmischen Kombinatorik nicht so recht, aber man kann ihm etwas G u tes abgewinnen.«
    »Du meinst, dass manches erst aus dem Zusammenhang genommen und neu geordnet werden muss, um seinen tief e ren Sinn preiszugeben?«
    Johan strahlte. »Kluger Junge! Jetzt hast du es kapiert!«
      
      
      
15. KAPITEL
    Der Wiederauferstandene
     
    Nettunia, 1943
     
    Selten hatte Nico den Mond in einer solchen Farbe gesehen. Gleich einer riesigen Kupfermünze hing er über dem Meer, ein altrömischer Sesterz, dessen rötliches Licht einen gli t zernden Pfad auf der leicht bewegten See zeichnete. Allzu gerne wäre der Beobachter am Strand von Nettuno diesem Weg gefolgt, auf der Suche nach dem versunkenen Nept u nia. Eher ernüchternd fand er den Gedanken, dass da dra u ßen irgendwo die Schiffe der Alliierten lagen und niema n den hindurchließen. Er schob den Wachtraum beiseite, drehte sich wieder zum Forte Sangallo um und massierte sich mit der Rechten den Nacken. Seit dem Morgen plagten ihn Kopf- und Rückenschmerzen.
    »›Denn Zeit verlieren schmerzt den, der sie schätzt.‹ Niemand sollte das besser wissen als du.« Seitdem er sich versteckt halten musste, sprach er immer häufiger mit sich selbst. Manchmal, so wie gerade eben, rezitierte er dabei aus dem Purgatorio oder einem anderen Werk, das er unter Johan Mezeis Ägide gelesen hatte. Die Idee des Meisters hatte Nico auch bewogen, Bruno um Unterstützung zu bi t ten. Der Widerstandskämpfer meinte, dass der Plan funkt i onieren könnte. Er versprach zu helfen, fügte jedoch mit unergründlichem Lächeln hinzu: »Wenn ich das tue, dann stehst du in meiner Schuld.« Er hatte angekündigt, in Kürze bei Signora Fiori eine Nachricht zu hinterlassen. Die Sold a tenwitwe aus Pontinia sei auf den Duce, dem sie den Tod ihres Mannes anlaste, nicht gut zu sprechen, dafür habe sie den Partisanen schon oft geholfen. Nico solle jeden Do n nerstag bei ihr nach Mitteilungen fragen. Gestern erst war er zum zweiten Mal zu ihr in die Pontinischen Sümpfe g e fahren und unverrichteter Dinge wieder zurückgekehrt.
    In den vergangenen zwei Wochen hatte sich Nico in wechselnden Verstecken aufgehalten und die Gewohnhe i ten von Manzinis Wachen studiert. Manchen Hinweis e r hielt er dabei von alten Bekannten. Von Vincenzo Monti, dem Gemeindearzt, der regelmäßig BBC hörte, hatte er erfahren, dass am 1. Oktober US-Truppen in Neapel eing e troffen waren. Vielleicht fiel es ihm deshalb immer schw e rer, den deutschen Patrouillen aus dem Weg zu gehen.
    Um seine Freunde in der Stadt nicht unnötiger Gefahr auszusetzen, war er die letzten vier Tage in die Cava di Santa Barbara ausgewichen, eine Höhle, die ungefähr einen Kilometer vom Stadtkern entfernt lag. In den langen eins a men Nächten hatte er viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Im Kopf verschob er die Mosaiksteine seines Wissens wie einst Meister Johan die Buchstaben des Tetragramms. Am Morgen erst hatte sich in seinem Geist eine jener ve r schlungenen Gedankenketten gebildet, denen er bisweilen ganz überraschende Erkenntnisse verdankte. Es war der 15. Oktober, der erste Tag des Sukkot.
    Die jüdischen Familien verbrachten das siebentägige Fest zum Ende des landwirtschaftlichen Jahres nach altem Brauch in Hütten, die aus der »Frucht prächtiger Bäume« errichtet wurden, also aus Palmwedeln oder den Zweigen von Pappeln, Ölbäumen, aus Myrten- oder Olivenlaub. N i cos »Hütte« bestand aus Tuffstein, was nicht ganz den Vo r schriften der Thora für das Laubhüttenfest entsprach. Seine verschiedenen Erzieher waren in diesen Dingen auch nicht besonders akkurat gewesen. Bei Sonnenuntergang begann zudem der Schabbat. Für Brot und Wein würde sich ebe n falls ein Ersatz finden müssen.
    »Du musst die richtige Anordnung der Dinge herausfi n den«, murmelte Nico, während er bei Kerzenlicht mit w e nig Appetit sein Frühstück hinunterwürgte. Es bestand aus trockenem Brot, einem Rest steinharter Salami und Wasser, das er aus einem Emaillebecher trank – der für den Sabba t wein war gewöhnlich aus Silber. Der Schüler des Uhrm a chermeisters Johan Mezei erinnerte sich, dass die Kabb a listen auf den gleichen Zahlenwert – sechsundachtzig – in den hebräischen Worten kos und elohim verwiesen; Ersteres bedeutete »Becher« oder »Trinkglas« für Wein, Letzteres »Gott«. Nicos Gedanken kreisten, permutierten Erinneru n gen: Schriftzeichen sind Symbole, Symbole sind Bilder, Bilder formen sich zu …
    »Wochenschauen?«
    Er fühlte

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