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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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anderen Windschutzscheiben waren ratlose Mienen zu sehen. Unter den Männern auf den Ladeflächen entstand Unruhe. Plötzlich bewegten sich die Büsche. G e wehre schoben sich heraus, dann die Männer und Frauen, die sie hielten. Im Nu hatten die Partisanen den Fahrzeu g konvoi umstellt.
    Die meisten Widerstandskämpfer waren nicht älter als dreißig, viele sogar noch Halbwüchsige. Sie trugen ze r lumpte, schmutzige Kleidung, aber in ihren Augen funkelte eine wilde Entschlossenheit. Der Kommandant konnte sich wohl zu einem Feuerbefehl nicht recht durchringen, weil ein Karabiner direkt auf seinen Kopf zielte. Neben dem Schützen raschelten die Zweige. Ein vielleicht Fünfun d zwanzigjähriger mit gedrungener Statur erschien. Er trug eine Schiebermütze, die er zum Gruß kurz lüpfte.
    »Herzlich willkommen im idyllischen Circeo, General. Wenn Sie möchten, dass Sie, das fette Schwein auf Ihrem Rücksitz und Ihre Männer sich noch eine Weile der Lie b lichkeiten dieses fünfundachtzig Hektar großen Nationa l parks mit seiner reichen Flora und Fauna erfreuen können, dann befehlen Sie allen, die Waffen niederzulegen. Danach nehmen Sie bitte schön die Hände hoch«, deklamierte der Mützenträger mit einer fast überbordenden Freundlichkeit, in der allerdings eine Kühle mitschwang, die nicht unb e dingt zu Widerspruch animierte.
    »Der Mann ist Fremdenführer. Er heißt Bruno Sacchi«, flüsterte Manzini vom Rücksitz des Kübelwagens und rec k te seine goldberingten Finger in die Höhe.
    »Man hört es«, brummte Hansen.
    Wieder raschelte das Gebüsch, und ein weiterer junger Mann erschien. Seine Kleidung war von Kopf bis Fuß schwarz.
    Manzini deutete mit einem seiner Wurstfinger hektisch auf den Neuankömmling. »Und das ist der Störenfried, der mir keine Ruhe mehr lässt, der Einbrecher von vorgestern, Nico dei Rossi, der Sohn des Uhrmachers.«
    »Womit meine Vermutung bestätigt wäre«, brummte Hansen.
    »Genug der Vorstellungen«, sagte der Partisanenführer – jetzt schon hörbar ernster – und präzisierte seinen vorang e gangenen Befehl. »Ich sage es nur noch einmal, General: Befehlen Sie Ihren Männern, die Waffen niederzulegen und die Hände zu heben. Das gilt vor allem für die Infanterie in den Mannschaftswagen. Sie sollen alle mit erhobenen A r men herauskommen. In der Deckung ringsum verbergen sich noch viel mehr von unseren Leuten. Also seien Sie vernünftig, dann können wir uns ein unnötiges Blutvergi e ßen ersparen.«
    »Nein, Sie ergeben sich. Sie haben keine Chance«, knur r te Hansen.
    »Netter Versuch«, erwiderte der Partisan und streckte den Arm in die Höhe. Ringsum klapperten Gewehre.
    »Ruhig Blut, junger Mann.« Der Brigadeführer hob die Hände. Sein Fahrer folgte dem Beispiel.
    »Don Massimiliano?«
    Manzinis Augenbrauen rutschten zusammen. »Was willst du, Sacchi?«
    »Dich, Manzini. Steig sofort vom Wagen.«
    Hansen nahm den Hut vom Kopf und wischte sich mit dem Ärmel der Uniformjacke über die Stirn. Die Bewegung wirkte wie ein Reflex. Aber sie löste ein Chaos aus.
    Unvermittelt hallten Gewehrsalven über die Sumpflan d schaft. Die Schüsse kamen weder von den Partisanen noch aus den Mannschaftswagen.
     
    Instinktiv warf sich Nico auf den Boden, als die ersten Schüsse fielen. Im Stillen verfluchte er den Tag, an dem er sich von Bruno zu dieser Aktion hatte überreden lassen.
    Die Verwirrung war komplett. Überall gingen die Fre i heitskämpfer in Deckung. Wohl wissend, dass sie den gut ausgebildeten Soldaten wenig entgegensetzen konnten – ihre Spezialität war die Sabotage, nicht das offene Gefecht –, hatten sie auf die Überraschung und die Wirkung der Drohgebärde gesetzt. Es dauerte eine ziemlich lange Schrecksekunde, bis sich Nico und vor allem auch Bruno ihr Scheitern eingestanden.
    »Rückzug! Das ist ein Hinterhalt«, rief der Widerstand s kämpfer.
    »Bleibt in Deckung!«, schrie Nico. »Sie schießen nur in die Luft, um ihre eigenen Leute nicht zu treffen.«
    Niemand beachtete ihn. Die Partisanen brachen verstört aus dem schützenden Dickicht hervor. Fast gleichzeitig fielen drei Schüsse. Der erste Freiheitskämpfer fiel getro f fen in eine Wasserlache. Wieder knallte es. Zwei Kugeln durchlöcherten Hals und Kopf eines nicht einmal zwanzig Jahre alten Mädchens. Es war auf der Stelle tot. Die Schar f schützen der Waffen-SS gingen wie kaltblütige Jäger vor. Mit den ersten Gewehrsalven hatten Sie ihr »Wild« nur aufgescheucht. Aber jetzt nahmen sie jedes

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