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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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schwer war, dass sie mich fast zu Boden zog. Außerdem war sie offenkundig ein magisches Artefakt, sodass alle Hehler die Finger davon ließen. Ich versteckte sie zwei Jahre lang auf einem Schrottplatz in der Nähe der Docks, bis ich schließlich den Mut aufbrachte, sie zurückzugeben.
    Ich verstaute das Horn in meinem Ranzen und holte ein Fläschchen Koboldatem heraus. Der Dunst ließ mich alles vergessen, was in der letzten Stunde passiert war, Zeisigs miesen Verrat ebenso wie das Gespräch mit Marieke. Ich musste mich auf meine nächste Aufgabe konzentrieren, andernfalls würde ich irgendwann über meine eigenen Füße stolpern.
    Vor allem musste ich Beaconfield aufsuchen. Wenn Celias Talisman recht hatte und der Lord tatsächlich in diese Sache mit den Kindern verwickelt war, würde ich dringend herausfinden müssen, was er damit bezweckte. Und auch wenn er nichts damit zu tun hatte, änderte das nichts an der Tatsache, dass ich meinem neuen Lieblingskunden Ware schuldete. Nachdem ich nochmals an der Flasche geschnüffelt hatte, steuerte ich in Richtung Westen, um zum Kirenerviertel zu gehen.
    Nach anderthalb Kilometern erreichte ich mein Ziel und trat in den Blauen Drachen . Der krankhaft fettleibige Barkeeper, dessen Namen ich nach drei Jahren geschäftlicher Beziehungen immer noch nicht kannte, hielt hinter dem Tresen Wache. Die Kneipe war fast völlig leer, da die Stammkunden – größtenteils Fabrikarbeiter – noch nicht Feierabend hatten.
    Ich setzte mich an die Theke. Bei jedem keuchenden Atemzug des Barkeepers wogten seine Fettmassen unappetitlich auf und ab. Ansonsten war er völlig reglos und starrte apathisch vor sich hin.
    »Wie geht’s, wie steht’s?«, fragte ich, obwohl ich wusste, dass ich keine Antwort bekommen würde. Bekam ich auch nicht. Manchmal ist es langweilig, ständig recht zu haben. »Ich brauche Stoff.« Einer der Vorteile beim Handel mit den Kirenern ist, dass man sich nicht verschlüsselt ausdrücken muss – kein Häretiker arbeitet für die Bullen.
    Der Barkeeper klimperte mit den Augendeckeln, was so schnell wie der Flügelschlag eines Kolibris ausfiel.
    Ich fasste das als Zustimmung auf. »Ich brauche einen halben Liter Daevas-Honig und sechs Stängel Ouroboros-Wurzel.«
    Eine lange Pause trat ein, in der das Gesicht des Mannes völlig ausdruckslos blieb. Dann bewegten sich seine Pupillen kaum merklich in Richtung Hintertür.
    Die Leute vom Blauen Drachen und ich machten oft Geschäfte miteinander. Da ich nur Narkotika im Wert von ein paar Ockerlingen erwerben wollte, bestand eigentlich keine Notwendigkeit, mit dem Boss zu sprechen. »Nicht jetzt. Ich muss wo hin. Sag Ling Chi, dass ich später wieder vorbeikomme.«
    Eine weitere, ewig lange Pause, ein weiterer Blick seitwärts.
    Offenbar würde ich doch mit Ling Chi sprechen.
    Die Hintertür führte zu einem kleinen Zimmer, in dem zwei mit Halbmondäxten bewaffnete Kirener standen, die ebenso bedrohlich wie gelangweilt aussahen. Sie bewachten eine zweite Tür, ebenso nichtssagend wie die erste. Als ich eintrat, verbeugte sich der links stehende Kirener höflich. »Bitte leg deine Waffen auf den Tisch. Sie werden dir nachher wieder ausgehändigt.« Er sprach mit einem leichten Akzent, Grammatik und Ausdrucksweise stimmten jedoch. Sein Kompagnon gähnte und kratzte sich in der Nase. Nachdem ich meine Waffen auf eine Bank in der Ecke geworfen hatte, ging ich auf die Tür zu.
    Der Wächter rechts nahm den Finger aus der Nase und hob drohend die Axt. Ich warf seinem Partner, der offenbar das Gehirn des Unternehmens darstellte, einen fragenden Blick zu. »Bedauerlicherweise müssen wir darauf bestehen, dich zu durchsuchen«, verkündete er, ohne sich sein Bedauern anmerken zu lassen.
    Das kam unerwartet und war wie alles Unerwartete bei einer kriminellen Transaktion bedenklich. Der Clan des Blauen Drachens belieferte mich seit drei Jahren mit Ware – das heißt, seit er das Revier der Toten Ratte übernommen hatte. In dieser Zeit hatte sich eine Beziehung von gegenseitiger Nützlichkeit zwischen uns entwickelt, die wie jede Beziehung auf Vertrauen und Loyalität beruhte. Eine Änderung der Routine konnte zu nichts Gutem führen.
    Ich ließ mir in keiner Weise anmerken, dass ich beunruhigt war. Die Häretiker sind wie Hunde. Sobald man das geringste Zeichen von Angst zeigt, ist man verloren. Ich breitete die Arme aus, und der Wächter, der in der Nase gepopelt hatte, durchsuchte mich rasch, aber gründlich. Der andere öffnete die

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