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Der Herr der zerstörten Seelen

Der Herr der zerstörten Seelen

Titel: Der Herr der zerstörten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weg willst …‹ Da war mir der Alte lieber. Vielleicht, daß er amoralisch war, na und? Wenigstens war er ehrlich …«
    »Warum hat Kati nie etwas gesagt? Sie konnte doch mit mir reden. Sie hat es früher auch getan … Wirklich, sie konnte mit mir über alles reden.«
    »Mami, die liebe Schwester, nicht wahr?« Die Augen blieben abschätzend und unerbittlich. »Irgendwann wird man einfach älter. Und dann ist's damit vorbei. Dann willst du nur eines: leben! Leben, Freiheit und deine eigenen Erfahrungen machen. Damals, in Barcelona, da wollte Kati gar nicht mehr nach Hause. Wir hatten so ein paar Typen, einer stammte aus Jaen, irgendwo in Andalusien, der hieß Pedro. Er war zwar Student, aber von Beruf Sohn eines reichen Vaters. Der hatte einen ganz dicken Schlitten, der wollte uns mitnehmen, hat uns mit wer weiß was die Ohren vollgequasselt, und Kati war ganz begeistert. Ich lehnte ab. Ich wußte, der wollte ihr ja doch nur an die Wäsche. Und allein hatte sie wohl Manschetten.«
    Ohne Gnade, diese Stimme!
    »Ich jedenfalls mußte zurück. Was sollte ich in diesem Jaen? Und als ich Kati das sagte, das war in so 'ner Kneipe im Barrio Gótico, kriegte sie 'nen Heulkrampf. Vielleicht war's auch das Hasch; sie zog sich einen Joint nach dem anderen rein. ›Porros‹ nennen sie dort die Joints, Porros – komisch, nicht? Sehen Sie, Sie zittern doch!«
    Es stimmte. Do preßte die Hände zusammen, doch auch die Gelenke bebten, sie konnte sich nicht länger kontrollieren. Sie hatte die Ellbogen auf die Tischplatte gestützt und preßte die Fäuste gegen die Augen.
    Endlich war Iris Weingart still.
    »Ich muß sie finden«, hörte Do sich flüstern. »Schon, um mit ihr reden zu können. Das verstehen Sie doch? Verstehen Sie das nicht?«
    Iris Weingart gab keine Antwort darauf. Sie sagte: »Ich hab' Kati noch einmal getroffen. Nicht in der Akademie, in der Fußgängerzone. Sie erschien mir völlig verändert, aber sie sagte, daß sie viel ruhiger geworden sei und endlich den Weg gefunden habe …«
    »Welchen Weg?«
    »Wenn ich das wüßte. Ihren Weg halt …«
    Do erhob sich.
    Auch Iris Weingart stand auf. »Dieser Zettel«, sagte sie, »ist schon sonderbar …«
    Doch als Do ihr die Hand gab, hielt Iris sie fest. »Ich bin nicht der einzige Mensch, der sie verstand, Frau Folkert. Leider kann ich nicht helfen. Aber jemand, mit dem sie sich wirklich viel unterhalten hat, war Timo.«
    »Und wer ist das?«
    »Timo Konietzka. Der ist den ganzen Sommer über irgendwo in Indien und arbeitet im Winter hier als Diskjockey. Manchmal kam er in die Akademie, weil er dort Freunde hatte.«
    »Und wo ist das?«
    »Die Diskothek?«
    »Ja.«
    »Das Ding heißt ›Bali‹. Ziemlich mieser Laden. Gar nicht so weit von hier. Ich kann Ihnen den Weg erklären …«
    Die Zufahrt führte zwischen einem Baumarkt und dem mit verrostetem Draht eingegrenzten Gelände eines Gelegenheitshändlers für Wohnwagen hindurch zu ein paar Bruchbuden, die letzten Reste des Industrieparks Neubiberg.
    Jedesmal, wenn er am Abend zur Arbeit fuhr, erinnerte sich Timo Konietzka an den Schrecken, der ihn befallen hatte, als er das ›Bali‹ zum ersten Mal zu Gesicht bekam. Damals hieß es noch ›Powerslide‹. November war es, und es regnete. Timo hatte gerade seine Einlage von zwanzigtausend Mark aufgebracht, obendrein auch eine neue Verstärkeranlage besorgt und vorgeschlagen, das ehemalige Metall-Lager knallrot zu streichen. Sie taten es, und das war's dann auch. Ein Zurück gab es nicht … Gut, er würde sich sechs Monate am Indischen Ozean erholen, aber die Vorstellung, in dieser Bude vier Monate als Diskjockey durchzuhalten, war Timo von Anfang an als purer Horror erschienen. Nur Vorstadtverrückte konnten auf die Idee kommen, sich abends in einem derartigen Schuppen vollzudröhnen.
    Doch die gab's. Und sie kamen, selbst bei einem solchen Scheißwetter wie heute. Die kamen immer, ob's regnete oder schneite.
    Und dies war nun wieder so ein Abend.
    Timo legte ein neues Band ein. Er hatte es mit ein bißchen feeling versucht, Liza Stansfield, doch die Typen hier wollten ihren Rock und ihren Techno.
    Timo nahm den Ton zurück und beugte sich nach vorn über den Rand des Boards. Die Lichtblitze rissen die Gesichter aus dem Dunkel und schleuderten sie wieder zurück. Bei fünfhundert Watt wirkten sie alle, als seien sie mit weißer Farbe angepinselt. Die aufgerissenen Münder sahen aus wie schwarze Schußlöcher.
    Timo sah auf seine Uhr: Die Zwölf-Uhr-Streife

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