Der Herr der zerstörten Seelen
Tommi hat das ein bißchen recherchiert. Da hängen ganz gewaltige Firmen drin.«
»Hier auch?«
»Das weiß ich nicht. Noch nicht … Hier haben sie vor allem eines, und das unterscheidet sie von allen anderen ähnlichen Vereinen: Sie genießen Wohlwollen, mehr noch, sogar Sympathien. Sie haben eine Menge auf dem sozialen Sektor geleistet. Sie können das auch vorweisen. Das ist nachprüfbar.«
»Und jetzt traust du dich wohl nicht mehr in dein Haus zurück?«
Do hatte darüber nachgedacht, sie hatte es in dieser Sekunde beschlossen, und Jan mit seiner Intuition, die noch aus den alten Tagen stammte, wußte es bereits.
»Kannst du mich irgendwo unterbringen? – Oder hat Bea eine Freundin …«
»Bea gibt's nicht mehr«, sagte er knapp. »Du wohnst bei mir.«
»Sei nicht kindisch, Jan. Wenn die mich tatsächlich beobachten, verfolgen oder, weiß der Teufel, sonst noch was mit mir vorhaben, dann wissen sie auch ganz genau, wo du wohnst und daß ich vielleicht zu dir flüchte.«
Er betrachtete nachdenklich seinen Daumennagel. Dann kratzte er sich damit am Kinn. »Kann was dran sein. Aber wir finden eine Lösung. Ich treib' schon ein Versteck für dich auf … Übrigens, wo ist eigentlich Tommi?«
»Wieso?«
»Ich möchte mit ihm sprechen. Schließlich sitzt er jetzt im selben Boot, oder?«
»Da brauchst du nicht lange zu laufen«, sagte sie. »Er wartet unten in der Cafeteria …«
Jan sah sie kurz an und tippte eine Nummer der Hausanlage.
Do erhob sich und ging zum Fenster. Es war nicht Sorge oder Furcht, die sie auf den Parkplatz blicken ließ. Und es war eher ein Zufall, der sie sofort die graue rechteckige Kastenform dort unten entdecken ließ: der Wagen von der Autobahn!
Es war, als entlade sich eine elektrische Ladung in ihre Nervenbahnen: Da ist er wieder! Herrgott, es wird Hunderte, Tausende, vielleicht Zehntausende solcher VW-Transporter in München oder Bayern geben. Also, was soll's? Werd bloß nicht hysterisch.
Do kniff die Lider zusammen, beugte sich noch weiter zum Fenster …
Doch! Das ist er! Sie hätte es beschwören können. Die Schmutzspuren am Wagen waren dieselben.
»Was gibt's denn so Interessantes?« hörte sie Jan sagen. Sie brachte keine Antwort zustande … Die drei Männer waren nach ihrer idiotischen Nummer mit den Kameras vor ihren Augen weggefahren. Ihr Chrysler-Van war zu auffällig, als daß er ihr unbemerkt folgen konnte. Und dann, trotz Lobkos Uraltauto, haben sie herausbekommen, daß du dich im Klinikum aufhältst …
Wie?
Es gab nur eine Antwort: Sie hatten noch weitere Beobachter ins Verlagsgebäude geschickt. Die Gegend, ganz München wimmelte von ihnen …
Do drehte sich um.
»Was ist denn jetzt wieder?«
»Komm ans Fenster. Und mach es nicht allzu auffällig … Schieb den Vorhang ein wenig nach rechts. Siehst du den VW dort am Ende der ersten Reihe?«
»Den Bus?«
»Ja, den Bus.«
»Und was ist mit ihm?«
»Ich glaube, das ist derselbe wie der, der mich auf der Autobahn zu rammen versucht hat.«
Er starrte sie an. »Du glaubst? Besser wäre, du bist dir sicher.«
»Sicher? Ich konnte mir ja noch nicht mal die Nummer merken. Und die Scheißdinger sind sich alle ähnlich. Einer sieht wie der andere aus. Aber ich hab's einfach im Gefühl.«
»So? Im Gefühl …«
Es klopfte, die Tür ging auf. Da stand Tommi. Entspannt wie sonst wirkte er dieses Mal nicht. Falten zogen sich rechts und links von den Mundwinkeln herab.
»So sieht man sich also wieder!« Die beiden Männer schüttelten sich die Hand.
Tommis Blick fiel auf die Pistole. »Braucht ihr so was jetzt im OP?« Er nahm sie in die Hand. »Eine Beretta … Nettes Spielzeug.«
»Spielzeug? Richtig … Im Augenblick aber haben wir andere Sorgen.«
Jan deutete auf Do, die ihnen das Gesicht zudrehte und mit dem Vorhang das Fenster noch ein wenig weiter schloß. »Was ist denn?«
»Sie glaubt, den VW-Bus entdeckt zu haben, der sie auf der Starnberger Autobahn beinahe über den Haufen fuhr.«
»Wirklich?« Tommi Reinecke war mit fünf Schritten bei ihr. Er zog sanft die Vorhangkante zurück.
»Der Fahrer sitzt drin.« Unwillkürlich senkte Do die Stimme zu einem Flüstern.
»Aber du hast doch gesagt, daß du ihn auf der Autobahn nicht erkennen konntest. Nicht einmal die Nummer hast du, nicht wahr?«
»Ja. So ist das auch. Leider … Aber der Wagen hatte genau die gleichen Schmutzstreifen.«
Tommi sah sie an, runzelte die Stirn und lief zur Tür. Auf halbem Weg blieb er stehen und beugte sich
Weitere Kostenlose Bücher