Der Herr des Traumreichs
keine Hand rühren, um Maximilian zu retten?« rief Garth empört.
Der Manteceros runzelte die Stirn. »Wie war der Name?«
»Maximilian!« knurrte Garth. Er konnte sich nur noch mit Mühe beherrschen.
»Wenn er keine Forderung erhoben hat«, erklärte der Manteceros mit großer Entschiedenheit, »bin ich auch nicht verpflichtet, ihn zu kennen. Cavor« – seine Augen leuchteten kurz auf – »war ein aufrechter Mann. Er hat seinen Anspruch gut vertreten.«
»Maximilian trägt dein Mal auf seinem rechten Arm –
eingeritzt mit blauer Tinte«, erklärte Garth. Das mußte den Manteceros doch überzeugen.
»Das hätte ihm auch irgendein Künstler eintätowieren können«, gab der Manteceros zurück.
»Aber die Tinte!« rief Garth.
»Garth«, murmelte Ravenna und glitt so leicht wie ein Windhauch an seine Seite. »Versuch doch bitte zu verstehen.
Wir brauchen zuerst die Gegenforderung, dann muß sich der Manteceros zeigen.«
»Unbedingt«, nickte das Wesen und sah Ravenna und Garth mißtrauisch an.
»Das heißt, Maximilian muß weiter unter Tage schuften, und ich weiß nicht, wie ich ihn dort herausholen soll.« Garths Schultern waren völlig verkrampft, und Ravenna massierte sie sanft.
»Wir werden einen Weg finden, ihm zur Flucht zu verhelfen«, flüsterte sie kaum hörbar. »Und dann kann er seine Forderung vorbringen.«
»Und wie bringt man eine solche Forderung vor?« Garth war immer noch aufgebracht. Er war davon ausgegangen, daß der Manteceros es gar nicht erwarten könne, Maximilian zu retten.
»Ganz einfach«, sagte der Manteceros. »Gib acht.«
Ertränkt in Kristall mich,
Mit Wahrheit umhüllt mich,
Den Tod legt mir an.
Mit Blut deckt die Seide,
Steckt in Mut meinen Fuß,
nd gürtet mich mit Licht.
Wählt einen, der ernennt mich…
Einen zweiten, der kennt mich,
Dann führet hinein mich in die grünschatt’ge Laube.
Mit dem Ring meiner Väter
Ritze tief ich den Stein,
Schenke Leben den Linien,
Wandle Stein in Gebein.
Wer fordert den Thron?
Wer ruft den Traum?
Ruft ihn und…
»Wie?« flüsterte Garth. Wer sollte aus diesem Unsinn klug werden?
»Mehr sage ich nicht!« fauchte der Manteceros und fletschte die Zähne. Ravenna rückte ein wenig von Garth ab, und der Manteceros beruhigte sich und fuhr fort: »Allmählich habe ich genug von dieser wirren Geschichte über einen Maximilian, der unter Tage gefangen sitzt. Er ist mir gleichgültig, und trüge er auch mein Mal auf dem Arm. Er ist mir so lange gleichgültig, bis er seine Forderung vorbringt. Ravenna, könntest du mir nicht noch ein wenig die Nase kraulen?«
Ravenna warf Garth einen letzten warnenden Blick zu, dann stellte sie sich wieder vor den Manteceros und streichelte ihn.
Das Wesen erschauerte vor Vergnügen und schmiegte sich an das Mädchen.
»Wenn Maximilian eine Forderung vorbringt«, fragte sie leise, »wirst du dich dann zeigen?«
»Aber natürlich«, antwortete der Manteceros.
»Und du wirst Maximilian und Cavor auch auf die Probe stellen. Sie der Prüfung unterziehen?« stieß Garth hervor.
Der Manteceros sah ihn an. »Du bist gut unterrichtet, mein Junge, trotz deiner schlechten Manieren«, sagte er nachdenklich. »Nun gut, sollte dieser Maximilian seinen Anspruch vorbringen, solange Cavor noch fest auf dem Thron sitzt, dann kann ich wohl nicht anders.«
Ravenna sah sich nach Garth um, ohne die Hand von der Nase des Manteceros zu nehmen. »Dann haben wir keine Wahl«, sagte sie leise, aber mit klarer Stimme. »Wir müssen Maximilian befreien und ihn dazu bringen, den Thron von Escator zu fordern.«
»Und dann wird der Manteceros einsehen, daß Maximilian der wahre König ist.« Garth sah das blaue Geschöpf so drohend an, als wolle er es zum Widerspruch reizen.
Der Manteceros ließ verdrießlich die Mundwinkel hängen.
»O, da wäre ich mir nicht so sicher.«
Er rieb sich kurz an Ravennas Schulter, dann wandte er sich ab und verschwand mit schweren Schritten im Nebel.
Der Mann, der an den linken Knöchel von Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig gekettet war, brach während der Schicht zusammen, hustete seine glommzerfressenen Lungen aus und starb. Die Wärter ließen die Arbeit kurz einstellen, um den
Toten loszumachen. Sträfling Nummer
achthundertneunundfünfzig sank dankbar zu Boden, ohne sich um die herumliegenden Gesteinsbrocken zu kümmern.
Dann rutschte dem Wärter der Meißel vom Fußeisen ab und fuhr dem Sträfling tief ins Fleisch. Nummer achthundertneunundfünfzig zuckte
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