Der Herzberuehrer
meinem Bett, von wo sie irgend eine Gameshow im Fernsehen verfolgten.
»Raus hier!«, sagte ich nur, schaltete entnervt den Kasten ab, ging in mein Bad und knallte die Türe hinter mir zu.
Mein Zimmer war Tabu, verdammt!
Danach saß ich eine Zeitlang auf meinem Wannenrand, rauchte eine starke Filterlose nach der anderen, wobei ich gegen meine Art ins Waschbecken aschte und starrte ins Nichts.
Wie sollte das alles nun weitergehen.
Mein gestriger Trip in die Berge holte mich wieder ein, denn das, was ich in diesem Moment empfand, entsprach in etwa dem auf dem nebeligen Parkplatz an der Via dei Partigiani. Ich war alleine... damit musste ich mich abfinden!
Doch als meine Gedanken zurückwanderten, zu den vergangenen Stunden, zu Daniele, entglitt mir ein Lächeln und strafte meine Gefühle lügen.
Daniele war tatsächlich zu einem Freund geworden, zu einem der mich scheinbar sogar verstand, auf seine verschrobene ureigene Art. Das war mehr, als ich je für möglich gehalten hatte.
Nach einer dreiviertel Stunde gesellte ich mich dann zu den anderen. Ein dampfender Lammtopf stand auf dem Küchentisch, eine Korbflasche Roter wurde herumgereicht und irgendwie war es dadurch ein wenig so, wie einst in Fano, wenn die Familie sich in der Mittagszeit um den Tisch versammelt hatte, um wenigstens eine Mahlzeit am Tag gemeinsam zu verbringen. Eine trügerische Geborgenheit...
·
»Ja klar kenne ich Adriano...«
»Weißt du, wo ich ihn finden kann?«
»Das nun wieder nicht. Uns hat man ja schließlich rausgeschmissen. Du erinnerst dich sicher...«
Pius klang wie immer in solchen Momenten. Etwas beleidigt, etwas verletzt - eine gekonnte Mischung aus beidem. Er war tatsächlich in der Lage, es über das Telefon so rüberzubringen, als trüge ich in irgend einer Form eine Mitschuld für das, was ihm da widerfahren war ...
»Na ja...«, drehte ich den Spieß um, »...Er scheint jedenfalls zu wissen, was damals wirklich mit Shiro passiert ist... Das interessiert dich doch sicher auch...«
»Schon...«
»Und, Pius, Èle hat auch noch was gut bei euch. Oder wie siehst du das...«
Die Schuldgefühl-Nummer beherrschte nicht nur er.
»Na ja, was das angeht...«
»Ja...?«
»Okay. Ich hör mich um...«
»Danke, Pius. Das ist mir wirklich wichtig, weißt du...«
»Schon klar...«
»Alles in Ordnung ansonsten?«
»Alles bestens...«
»Prima. Dann... du meldest dich...«
»Ich melde mich...«
Und damit, so hoffte ich, war war ich wieder einen Schritt weiter...
·
Wenige Tage später überredete Jack mich, das abgesagte Treffen bei ihm nachzuholen.
Ausgesucht gutem Essen, sowie dem unwiderstehlichen Charisma seines Wunderknaben würde ich mich nicht entziehen können, so sein Versprechen.
Tatsächlich entsprach der real existierende Raoul dann so ziemlich präzise meiner Vorstellung eines französischen Existenzialisten der sechziger Jahre. Er trug kurzgeschnittenes, schwarzes Haar, dass an den Seiten in sorgsam gestutzte Koteletten mündete, sowie eine kantige, etwas überdimensionierte Brille aus dunklem Horn. Dazu steckte er in einem maronefarbenen Rollkragenpullover der ausgezeichnet zu einer extrem gemütlich aussehenden, dunklen Breitcordhose passte, deren Knie bereits ziemlich abgewetzt waren.
Exakt solche Typen geisterten in meiner Erinnerung durch eine ganz bestimmte Sorte Filme, allesamt todlangweilig, und die kamen eben meist aus dem Frankreich der 60er Jahre. Verregnete Sonntagnachmittage meiner Kindheit...
»Das ist er...«, präsentierte mir Jack stolz seinen Fang, einem Fischer gleich, dem ein kapitaler Schwertfisch ins Netz gegangen war. »...Und das hier ist Luca...«
Raoul stand an Jacks Dreiflammen-Gasherd, rührte in einer knallgelben Alu-Kasserolle, hob seine Hand zum Gruß und lächelte mir neugierig zu.
»Ich hoffe, du magst auch die einfache Küche...«, fragte er etwas unsicher.
Ich kannte das schon. Es war, als wäre ich mit einem Fluch belegt. Denn die meisten hatten Angst, mich zu bekochen. So wie man nicht auf die Idee kam, einem Buchhändler seinen Lieblingsroman zu schenken, oder einem Floristen einen Blumenstrauß mitzubringen, so hatten die meisten ein Problem damit, einen Koch zu bekochen.
»Was gibt es denn?«, fragte ich gespannt.
»Etwas Sardisches...«
Nun wurde es interessant. Von sardischer Küche hatte ich bislang nur gehört. Unser Spanferkel, welches wir früher im D’Agosta zubereiteten, war von einem sardischen Rezept abgeleitet, ansonsten kannte ich nur die
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