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Der Herzog und seine geliebte Feindin

Der Herzog und seine geliebte Feindin

Titel: Der Herzog und seine geliebte Feindin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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Hände umklammerten das Metallgeländer vor ihm. Er schloss die Augen. „Das“, sagte er. „Das hat er getan. Alles.“
    „Ich habe festgestellt“, erklärte Robert, „dass es auf lange Sicht wesentlich weniger kostet, meine Arbeiter so gut zu bezahlen, dass sie ohne Grausen an die Zukunft denken können, als Männer zu beschäftigen, die sie unterdrücken.“
    „Sie hören sich wie Minnie an“, brummte Charingford. Es klang wie eine Beschwerde.
    Robert lächelte einfach und schüttelte den Kopf. Es war vielleicht das netteste Kompliment, das er je erhalten hatte.
    Ein junger Bursche lief unten durch die Halle, brachte einem Mann, der sich gerade zu einer Maschine umgedreht hatte, eine volle Garnspule.
    „Wenn Sie nicht genau hinsehen“, sagte Robert, „dann verblassen die Männer und Frauen dort unten zu einer Masse aus nicht zu unterscheidendem Braun und Grau. Sie müssen in ihnen nicht mehr sehen als Arme, die die Maschinen bedienen, Fleisch und Blut statt Stahl und Eisen. Die beständig Lohn kosten, statt den Kaufpreis bei der Anschaffung. Aber Maschinen singen nicht. Maschinen hoffen nicht. Und Charingford, ich glaube nicht, dass wir sie aufhalten könnten, nicht mit Tausenden von Captain Stevens‘ Kaliber. Und ich habe nicht vor, es auszuprobieren.“
    „Sie sind radikal.“ In der Anklage lag keine Empörung. Charingford blickte über die Fabrik. Aber jetzt blieb sein Blick hier und dort hängen – bei Frauen, die die Strümpfe in Papier wickelten, bei den Männern, die die Maschinen bedienten.
    „Ich weiß“, bemerkte Robert.
    „Wenn Sie gleich am Anfang erst mit mir gesprochen hätten, statt diese Flugblätter zu schreiben …“
    „Ich werde erwachsen. Und meine Gattin, scheint es, hat eine gewisse Wirkung auf mich.“ Robert zuckte die Achseln. „Man weiß nie. Wenn ich erst einmal dreißig bin, könnte ich am Ende wirklich anfangen, etwas zu bewirken.“

Kapitel Fünfundzwanzig

    E S WAR SCHON SPÄT, ALS M INNIES E HEMANN ENDLICH HEIMKAM – so spät, dass alle Dienstboten bis auf einen einzelnen Lakaien bereits zu Bett gegangen waren. Minnie hörte, wie die Haustür sich öffnete und hinter Robert wieder schloss. Sie konnte sich vorstellen, wie er Hut und Mantel ablegte und sie dem Lakaien reichte. Sie erwartete, seine Schritte auf den Stufen zu hören, aber die Minuten vergingen, ohne dass sie kamen.
    Minnie stand langsam auf und ging auf Zehenspitzen aus dem Zimmer. Das Haus unten war in Dunkelheit getaucht. Der einzige Grund, weshalb sie erkennen konnte, wo sie auf der breiten Treppe ihren Fuß hinsetzen musste, war ein Lichtschimmer aus einem der Räume auf der Rückseite. Sie folgte diesem goldenen Lichtschein.
    Die Tür am Ende des Korridors stand einen Spalt breit offen. Robert saß am Tisch, einen Teller vor sich mit den kalten Resten des Abendessens. Er aß nicht; er hielt nur die Gabel in der Hand und starrte blindlings ins Nichts. Den Kopf hielt er leicht gesenkt, als ersetzte er den Rinderbraten vor sich durch irgendetwas Großartigeres. Während sie ihn beobachtete, hob er eine Hand ans Auge und fuhr sich mit dem Finger über den Augenwinkel, fast so, als müsse er eine Träne wegwischen.
    Er weinte nicht. Er griff nicht nach einem Taschentuch. Aber seine Hand blieb dort, an seinem Auge, wie um weitere Gefühle abzuwehren.
    Ihr stockte der Atem.
    Sie ging den Korridor zurück und ärgerte sich über ihre weichen Seidenschuhe. Er hatte sie nicht einmal kommen hören. Geräuschvoll öffnete sie die Tür zum Salon und holte das Päckchen, das sie vorhin dort deponiert hatte. Und noch etwas lauter schloss sie die Salontür wieder.
    Es war unmöglich, mit Seidenschuhen laut aufzutreten, aber sie gab sich redlich Mühe. Als sie dieses Mal an der Tür ankam, hatte er die Hände gesenkt. Dieser Blick durchdringender Leere war verschwunden, und es gelang ihm sogar, für sie ein kleines Lächeln aufzusetzen.
    „Minnie“, sagte er. „Ich habe nicht geglaubt, dass du noch wach sein könntest.“
    Als ob sie hätte schlafen können, während sie genau wusste, dass er sich um seinen Bruder Sorgen machte. Das Gerichtsverfahren war für morgen angesetzt, und die Anspannung der letzten Tage hatte in seinem Gesicht Spuren hinterlassen. Unter seinen Augen waren dunkle Kreise und Sorgenfalten auf seiner Stirn.
    „Ohne dich konnte ich nicht gut einschlafen“, antwortete sie. Sie legte das Päckchen neben ihn auf den Tisch.
    Er spießte ein Stück Rindfleisch mit seiner Gabel auf.

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