Der Hexer - NR25 - Ein Gigant erwacht
einem Ruck auf. Eine einzelne, endlose Sekunde lang starrte es die winzigen Gestalten vor sich beinahe neugierig an, dann stieß es ein tiefes, zorniges Knurren aus und stand auf.
Und stand weiter auf.
Und weiter.
Und weiter.
Rhenrhews Keuchen wurde zu einem entsetzten Schrei, als sich die Bestie immer weiter und weiter aufrichtete, die Größe eines kleinen Hauses erreichte und immer noch weiter wuchs, bis es zu einer gigantischen, unbeschreiblich großen Scheußlichkeit geworden war, deren Schädel aus fünfzig oder mehr Fuß Höhe auf die winzigen Menschengestalten herabblickte, die es gewagt hatten, es so roh aus seinem Schlaf zu reißen. Ihre Augen wirkten plötzlich klein gegen den monströsen Schädel, aber ihr Blick war tückisch und voller boshafter Intelligenz.
Der Anblick lähmte Rhenrhew. Er hatte nie zuvor etwas Häßlicheres als dieses Ungeheuer gesehen, und es war so groß, so unbeschreiblich groß! Alles in ihm schrie danach, auf der Stelle kehrtzumachen und zu verschwinden, so schnell er konnte. Und gleichzeitig wußte er mit unerschütterlicher Sicherheit, daß es vor diesem Ungeheuer keine Flucht gab.
Craig schrie auf, schwang sein Lasso und ließ die Schlinge fliegen, und als wäre dies ein Zeichen für die anderen, senkten sich nacheinander vier weitere Lassoschlingen über den gewaltigen Schädel der Bestie und zogen sich zusammen. Nur Rhenrhew rührte sich immer noch nicht, sondern sah starr und gelähmt vor Schrecken und Angst zu, was weiter geschah.
Auf einen weiteren schrillen Schrei Craigs hin rissen die Reiter ihre Tiere herum und sprengten los. Nahezu im gleichen Moment strafften sich die fünf fingerdicken Taue, die sich um den schuppigen Hals des Ungeheuers gelegt hatten.
Craig, der Mann zu seiner Linken und der Reiter am anderen Ende der kleinen Gruppe flogen in hohem Bogen aus den Sätteln, als sich die Lassos mit einem peitschenden Knall spannten, so heftig, als hätten sie versucht, einen Berg umzureißen.
Die beiden andern Männer hatten etwas mehr Glück. Auch ihre Pferde wurden mitten im Schritt zurückgerissen und bäumten sich auf, aber ihre Reiter blieben wenigstens in den Sätteln.
Für die nächsten zwei Sekunden.
Dann bewegte das Ungeheuer mit einem ärgerlichen Knurren den Schädel, griff mit einer seiner lächerlich kleinen Vorderklauen nach den Seilen, die sich um seinen kurzen Hals geschlungen hatten, und riß sie ohne sichtliche Anstrengung entzwei. Alle fünf auf einmal.
Dieser neuerliche Ruck riß auch die beiden letzten Tiere zu Boden. Das eine begrub seinen Reiter unter sich und tötete ihn auf der Stelle, während der andere im hohen Bogen davonflog und benommen liegenblieb.
Rhenrhew rührte sich noch immer nicht. Er hatte nicht einmal Angst. Was er sah, konnte nicht wahr sein. Er träumte. Er war fest davon überzeugt, in einem Alptraum gefangen zu sein. Wenn auch in einem Traum, aus dem er nicht aufzuwachen vermochte. Wie betäubt beobachtete er, wie sich das Ungeheuer in einer Bewegung, die durch seine unglaubliche Größe langsam und schwerfällig wirkte, es aber ganz und gar nicht war, den gestürzten Reitern näherte, sich vorbeugte und mit seinen Klauen nach einem Pferd griff. Die hornbewehrten Pfoten, die im Vergleich mit seinem Körper so lachhaft klein waren, hoben das panisch wiehernde Pferd ohne sichtliche Anstrengung in die Höhe, brachen ihm das Rückgrat und schleuderten den Kadaver davon.
Ein Schuß krachte. Rhenrhew glaubte ein Aufblitzen zu sehen, wo die Pistolenkugel gegen die stahlharten Panzerplatten der Bestie prallte und abgeschmettert wurde, dann peitschten ein zweiter und dritter Schuß, und plötzlich packten die Klauen des Ungeheuers wieder zu, blitzschnell und mit ungeheuerlicher Kraft, die Schüsse hörten auf, und glitzerndes Rot war zwischen den armlangen Krallen der Bestie.
Craig und die zwei Männer, die außer ihm noch lebten, begannen verzweifelt auf den steilen Hohlweg zuzurennen. Craig feuerte ununterbrochen, bis seine Waffe leergeschossen war, aber selbst dann drückte er noch ab, immer und immer wieder, halb wahnsinnig vor Angst und nicht mehr zu logischem Handeln fähig.
Das Ungeheuer machte einen einzigen gewaltigen Schritt, begrub Craig und einen der beiden anderen Männer unter den Füßen und beugte sich mit weit aufgerissenem Maul zu dem letzten Überlebenden hinab. Das Krachen, mit dem seine Kiefer zusammenschlugen, klang wie ein Kanonenschuß.
Plötzlich waren nur noch Rhenrhew und das Ungeheuer da.
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