Der Hexer - NR25 - Ein Gigant erwacht
es ihm.
Cody lachte leise, als er Postlethwaites betroffenen Gesichtsausdruck sah, wurde aber sofort wieder ernst. »Lance hat gar nicht so unrecht, Bob«, sagte er. »Unser Vorsprung ist groß genug. Eine halbe Stunde mehr oder weniger macht da nichts aus. Und die Pferde brauchen eine Pause.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf einen mächtigen, wie einen Balkon überhängenden Felsen zehn Schritte vor uns, stieg ohne ein weiteres Wort aus dem Sattel und führte sein Pferd am Zügel in den Schatten.
Mit gemischten Gefühlen folgte ich ihm. Auch ich war rechtschaffen müde, und mein schmerzender Rücken erinnerte mich schon eine ganze Weile daran, daß ich kaum mehr Übung im Reiten hatte als Postlethwaite. Aber ich war nicht ganz so optimistisch wie Cody, was unseren Vorsprung vor Teagarden und seinen Männern anging.
Trotzdem kletterte auch ich aus dem Sattel, versuchte den Gentleman zu spielen und Annie vom Rücken ihres Pferdes zu helfen und erntete ein spöttisches Lachen, als sie sich mit einer schon fast unanständig eleganten Bewegung aus dem Sattel schwang und Cody und Sitting Bull folgte.
Postlethwaite ließ sich mit einem erleichterten Seufzer in den Schatten sinken, und nach einem Augenblick tat ich es ihm gleich. Ich genoß das Gefühl, endlich einmal wieder auf festem Boden zu sitzen und den Rücken irgendwo anlehnen zu können.
Die einzigen, die sich nicht setzten, waren Sitting Bull und Cody.
»Was ist los?« fragte ich. »Ich denke, du wolltest eine Rast einlegen?«
Cody lächelte flüchtig. »Ruh dich ruhig aus«, sagte er jovial. »Sitting Bull und ich sehen uns ein bißchen in der Gegend um.«
»Ich helfe euch«, sagte ich. Natürlich war dieses Angebot nur rein rhetorisch gemeint, und ebenso natürlich erwartete ich, daß Cody es ablehnen und darauf bestehen würde, daß ich sitzen blieb und meinen schmerzenden Knochen eine Pause gönnte.
Er dachte nicht daran, sondern nickte im Gegenteil, beugte sich vor und streckte die Hand aus, um mir aufzuhelfen.
Widerstrebend stand ich auf, schleppte mich zu meinem Pferd und klaubte die Winchester aus der Satteltasche. Das Metall der Waffe war so heiß, daß ich mir fast die Finger daran verbrannte.
Cody deutete auf einen Felsen, der sich wie ein Leuchtturm vierzig, fünfzig Fuß über unser improvisiertes Lager erstreckte. »Von dort oben müßten wir einen guten Ausblick haben«, sagte er. »Ich steige hinauf und sehe mich um. Du kannst mit Sitting Bull gehen. Haltet die Augen offen. Und seid vorsichtig.«
Der letzte Satz, fand ich, war höchst überflüssig.
Mißgelaunt schwang ich mein Gewehr über die Schulter, drehte mich herum und stapfte auf Sitting Bull zu, der sich bereits einige Schritte entfernt hatte und mit sichtlicher Ungeduld am Anfang eines schmalen Felsdurchbruches auf mich wartete.
Es wurde schlagartig kälter, als ich hinter dem gebeugt gehenden Indianer in die kaum einen Yard breite Schlucht eindrang. Das Licht der Sonne schien niemals hierhergekommen zu sein; der Boden und die lotrecht aufstrebenden, zerschrundenen Felsen zu beiden Seiten atmeten einen eisigen Hauch aus, und der Boden unter meinen Stiefeln knirschte wie Glas. Ich schauderte. Abermals wurde mir die Fremdartigkeit, ja, Feindseligkeit unserer Umgebung bewußt.
Sitting Bull blieb plötzlich stehen und deutete nach vorne. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um über seine Schultern sehen zu können – der Spalt war zu schmal, als daß ich mich an ihm hätte vorbeischieben können –, gewahrte aber nichts als einen glosenden See unerträglichen Lichtes, wo sich der Felsspalt verbreiterte, so daß das Licht der Sonne bis auf seinen Boden reichte.
Sitting Bull ging weiter. Ich folgte ihm, ohne auch nur die blasseste Ahnung zu haben, was er entdeckt haben mochte, aber deutlich alarmiert. Fast ohne mein Zutun bewegten sich meine Hände und nahmen das Gewehr von meiner Schulter. Sitting Bull warf mir einen tadelnden Blick zu, als ich den Hahn spannte und das helle metallische Klicken wie ein Peitschenhieb durch die Schlucht knallte, dutzendfach gebrochen von den doppelt mannshohen Felsen zu beiden Seiten. Ich lächelte entschuldigend, zuckte mit den Achseln und deutete mit einem fragenden Blick nach vorne. Ich bekam genau die Antwort, die ich von Sitting Bull gewohnt war. Keine.
Nach wenigen Schritten hatten wir das Ende der Klamm erreicht. Die Wände wichen rechts und links nahezu im rechten Winkel weg und bildeten einen gewaltigen, an eine steinerne
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