Der Hexer - NR31 - Die Macht des NECRONOMICON
trotzdem, die Haut zuckte und bebte, zog sich zusammen und zitterte, als liefe eine Armee winziger Insekten darunter entlang.
Dann machte der Mann in der Templeruniform einen weiteren Schritt, und nun lag auch sein Gesicht im hellen Lichtschein des Feuers. Redirant sah ihn an.
Er schrie.
Nur ein einziges Mal und nicht sehr lange oder sehr laut, aber in seinem Schrei lag alles Entsetzen der Welt; und noch ein bißchen mehr.
Das Gesicht des Mannes war...
Redirants Verstand weigerte sich, den Anblick als wahr zu akzeptieren. Etwas in ihm zerbrach. Von einer Sekunde auf die andere überschritt sein Geist die Schwelle zum Irrsinn, verkroch sich wie ein zitterndes Tier hinter den Barrieren des Verrücktseins. Aus André Redirant, dem Tempelritter, der zeit seines Lebens keine Gegner gefürchtet hatte, wurde ein Wahnsinniger, innerhalb eines einzigen Augenblickes. Hinter ihm begannen die beiden anderen wie von Sinnen zu kreischen, und aus den Augenwinkeln sah er, wie weitere Schatten aus der Nacht emporwuchsen, aber er registrierte es nur, unfähig, in irgendeiner Weise darauf zu reagieren. Wie gelähmt starrte er das unmögliche Ding vor sich an.
Aber irgend etwas in ihm, vielleicht der Instinkt, wehrte sich noch. Der Mann mit dem Alptraumgesicht trat mit einem höhnischen Kichern auf Redirant zu und streckte seine schrecklichen Hände aus. Redirant schrie auf, prallte zwei, drei Schritte zurück und trat in die Flammen. Unter seinen Stiefeln zerbrach brennendes Holz. Flammen und Funken hüllten ihn ein, und sein Wams begann fast augenblicklich zu brennen, aber er spürte den Schmerz nicht einmal. Blind vor Angst und von dem puren Willen erfüllt, einfach nur zu überleben, hob er sein Schwert und schlug nach dem entsetzlichen Wesen. Seine Klinge zerfetzte das Wams des Angreifers, biß in seine Seite und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Der Mann fiel, versuchte mit wild rudernden Armen sein Gleichgewicht wiederzufinden und stürzte endgültig, als Redirant ihm einen Tritt versetzte.
Ohne einen einzigen Laut fiel er nach vorne, die Arme weit vorgestreckt, um den Sturz abzufangen – direkt in die lodernden Flammen hinein. Sein Körper verschwand bis zum Gürtel in der weißflammenden Hölle aus Feuer und Glut. Zerborstenes Holz und Funken stoben wie in einer lautlosen Explosion in die Höhe und senkten sich auf Redirant herab.
Aber er spürte auch diesen neuerlichen Schmerz nicht, denn sein Blick war noch immer wie hypnotisiert auf den Angreifer gerichtet.
Er blieb nicht liegen.
Die Temperaturen dort, im Herzen des gigantischen Scheiterhaufens, mußten hoch genug sein, Eisen zu schmelzen, aber der Mann mit dem Alptraumgesicht blieb nicht liegen!
Er bewegte sich, stemmte sich hoch und herum und stand wieder auf.
Das Vorderteil seines Gewandes und sein Haar waren fort, binnen Sekunden zu Asche zerfallen.
Das dünne Gewebe aus Eisenringen, das sein Kettenhemd bildete, glühte hier und da in düsterem Rot.
Grauer Dampf stieg von der entsetzlichen Gestalt hoch.
Ihre Hände brannten.
Redirants Schreie steigerten sich zu einem irren Crescendo, als die Gestalt ein meckerndes Kichern hören ließ und mit ihren brennenden Händen nach ihm griff...
* * *
Ixmal weckte mich lange nach Dunkelwerden. Ich erwachte übergangslos, und das allererste, was ich fühlte, war ein Strom neuer, pulsierender Kraft, die durch meine Glieder floß. Ich spürte, daß ich nicht sehr lange geschlafen hatte, aber ich spürte auch, daß es ein sehr tiefer, ruhiger Schlaf gewesen war, der mir eine Menge der verlorengegangenen Kraft zurückgebracht hatte. Mit einem Ruck setzte ich mich auf, angelte nach Hemd und Hose und wollte Ixmal dankend zunicken, aber der junge Indianer hatte sich bereits herumgedreht und mein Zelt wieder verlassen. Ich konnte es ihm nicht einmal verdenken. Nach allem, was ich gehört und selbst gesehen hatte, war es schon fast ein Wunder, daß es Sitting Bull überhaupt gelungen war, ihn zur Teilnahme an dieser – nun, was auch immer – zu überreden.
Rasch zog ich mich fertig an, nahm nach kurzem Zögern auch meinen Stockdegen und Andaras Amulett an mich und verließ das Zelt.
Die gute Laune, die sich meiner bemächtigt hatte, zerplatzte wie eine Seifenblase, als ich ins Lager hinaustrat.
Was noch am Tage ein ganz normales, etwas zu klein geratenes Zeltlager gewesen war, hatte sich in etwas verwandelt, was zu beschreiben mir im ersten Moment die Worte fehlten.
Mein Zelt war das einzige, das stehengeblieben
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