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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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schlug die Turmuhr Mitternacht. Erst als die letzten Schläge verklungen waren, wandte der Abt sich wieder Jakob Kuisl zu.
    »Ihr wollt meinen Bruder finden?«, fragte er skeptisch. »Ihr, ein ehrloser Henker aus Schongau?«
    »Er ist vielleicht ehrlos, aber das verflucht schlauste und stärkste Mannsbild im gesamten Pfaffenwinkel«, erwiderte Magdalena. »Wenn Ihr wüsstet, was mein Vater in seinem Leben schon geleistet hat, würdet Ihr nicht so neunmalklug daherreden.«
    Der Abt hob in einer Geste der Entschuldigung die Hände und lächelte schmal. »Verzeiht, junge Dame, ich wollte Euren Vater nicht beleidigen.« Resigniert zuckte er die Achseln. »Überhaupt, was soll’s! Es sieht nicht so aus, als könnte ich mir gerade aussuchen, wer mir zur Seite steht. Vermutlich wird ohnehin schon bald Pater Jeremias mein Amt übernehmen.«
    »Wenn wir Euch helfen sollen, dann müsst Ihr uns schon mehr erzählen.« Simon beugte sich in seinem wackligen Stuhl vor. »Also sagt uns endlich, was mit Eurem Bruder geschehen ist!«
    »Wie Euer Schwiegervater schon sagte – er ist entführt worden.« Maurus Rambeck vergrub sein Gesicht in den Händen. Er schluchzte leise, bevor er weitersprechen konnte. »Irgendein Verrückter hat ihn in seiner Gewalt. Ich sollte ihm die Hostien besorgen, sonst würde er meinen Bruder umbringen, hat er gedroht!«
    »Soll das heißen, Ihr habt die Hostien nur gestohlen, um Euren Bruder zu retten?«, fragte Magdalena mitfühlend.
    Der Abt nickte und rieb sich die vor Müdigkeit blutunterlaufenen Augen. »Dieser … dieser Hexer, oder wie immer man ihn nennen will … er wusste, dass nur ich oder jemand der beiden anderen Schlüsselträger die Heilige Kapelle betreten darf. Also hat er meinen Bruder entführt und mir eine Nachricht geschickt – zusammen mit dem hier.«
    Maurus Rambeck griff unter seine Kutte und zog ein kleines Bündel hervor, das er sorgfältig auseinanderfaltete. Als Simon den Inhalt sah, zuckte er unwillkürlich zurück. In dem fleckigen Tuch befand sich ein bereits schwarz angelaufener Finger, an dem noch ein paar einzelne Sehnen hingen. Ein silberner, mit Gravuren verzierter Ring steckte daran. Erst jetzt bemerkte Simon, dass es der gleiche Ring war, den auch der Abt trug.
    »Das ist der Ring mit unserem Familienwappen«, hauchte der Abt. »Die Rambecks sind ein altes Geschlecht. Nach uns wird es aussterben.« Er blickte Simon verzweifelt an. »Versteht Ihr? Dieser Wahnsinnige macht vor nichts halt! Erst bringt er den Gehilfen des Apothekers um, weil der vermutlich zu viel wusste, dann den jungen Vitalis, als dieser seinen Herrn verteidigen wollte! Ich musste ihm die Hostien besorgen!«
    »Woher konnte der Hexer denn sicher sein, dass es die richtigen Hostien waren?«, fragte Simon ungläubig. »Ihr hättet ihm doch irgendwelche geben können, und …«
    »Deshalb die Monstranz, verstehst du nicht, du Schafschädel?« Jakob Kuisl schnaubte und blickte verärgert hoch zur Decke, wo das Krokodil noch immer im Zugwind hin- und herschwang. »Hochwürden sollte dem Hexer zum Beweis die versiegelte Monstranz bringen.«
    Maurus Rambeck nickte. »Ich habe die Monstranz Montagnacht, gleich nach der Messe, hier im Haus meines Bruders in den Kamin gestellt. So lautete die Anweisung. Virgilius sollte dann wieder freigelassen werden, und die leere Monstranz stünde im Kamin.« Er lachte leise. »Keiner hätte etwas gemerkt! Ich hätte einfach andere Hostien in die silbernen Formen getan und die Monstranz am Festtag wieder in die Kapelle geschmuggelt. Auf dem gleichen Weg, wie ich sie gestohlen hatte.«
    »Doch leider wollte Graf Wartenberg am nächsten Morgen ja unbedingt noch mal in der Kapelle beten – und so ist alles aufgeflogen.« Simon rieb sich seine klammen Arme. Er hatte zu frösteln begonnen, und das lag nicht nur an dem vom Gewitterregen klitschnassen Rock. Angewidert starrte er auf den schwarz angelaufenen Ringfinger, der noch immer auf dem Schoß des Abts lag.
    »Dieser Verrückte hat sein Versprechen offensichtlich nicht gehalten«, sagte der Medicus schließlich. »Euer Bruder ist nach wie vor verschwunden.«
    »Er … er ist nicht wieder aufgetaucht. Ebenso wenig wie die Monstranz«, erwiderte Maurus Rambeck stockend. »Gestern Nacht wollte ich hier im Haus nach Virgilius Ausschau halten, doch dann hörte ich ein Geräusch und bekam es mit der Angst.«
    »Das war nur ich«, knurrte der Henker. »Ihr hättet ruhig reinkommen dürfen. Hätte uns allen viel Zeit und

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