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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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zum Ende seines Verhörs in einem Nebenbau unter Arrest gestellt. Simon selbst hatte nur wenige Minuten mit dem Abt unter vier Augen reden können, dann waren schon die anderen Mitglieder des Klosterrats erschienen.
    »Liebe Mitbrüder«, begann der Abt mit zitternder Stimme. Simon fiel auf, dass Pater Maurus, anders als bei seinem letzten Besuch, einen außerordentlich ängstlichen, ja wirren Eindruck machte. Nervös leckte Rambeck sich über die fleischigen Lippen. »Ich habe euch hier zusammengerufen, weil sich in unseren Reihen ein Mord ereignet hat, so schrecklich und geheimnisvoll, dass es mir schwerfällt, die richtigen Worte zu finden …«
    »Der Teufel!«, unterbrach ihn der Cellerar, ein feister Mönch, dessen Tonsur nur noch von einigen dünnen Härchen umgeben war, die er kunstfertig über die Glatze gelegt hatte. »Es ist der Teufel, der sich diesen weibischen Vitalis geholt hat, und seinen Hexenmeister Virgilius gleich mit! Wie oft habe ich ihn gewarnt, mit seinen verfluchten Experimenten aufzuhören. Und nun hat sich der Satan seiner angenommen!«
    »Bruder Eckhart, ich verbiete dir, so von unserem Mitbruder zu sprechen!«, fuhr ihn der Abt zornig an. »Frater Vir­gilius ist verschwunden, mehr wissen wir nicht. Das Blut in seiner Werkstatt lässt darauf schließen, dass auch ihm ein Unglück widerfahren ist. Mein Gott, vielleicht ist er ebenso tot wie Vitalis …« Maurus Rambeck brach ab und presste die Lippen aufeinander. Er war sichtlich bewegt.
    »Wir müssen das Schlimmste befürchten, Maurus«, murmelte der Kantor und Bibliothekar, der am äußersten Rand des Tisches saß. Sein Haar war schlohweiß, tiefe ­Falten hatte n sich in sein Gesicht gegraben und gaben ihm das Aus­sehen eines verdorrten Zwetschgenmännchens. »Die Zerstörungen deuten darauf hin, dass ein tödlicher Kampf stattgefunden hat. Fragt sich nur, warum?« Misstrauisch sah er hinüber zu dem kleinen Medicus.
    »Ich glaube, es ist an der Zeit, dass der Bader berichtet, was er gesehen hat«, meldete sich nun der hagere Prior, dessen Hakennase und stechende Augen Simon an einen Adler denken ließen.
    Ein Adler, kurz bevor er auf die kleine, schreckensstarre Maus im Weizenfeld hinunterstößt , fuhr es Simon durch den Kopf. Ich kann von Glück reden, dass dieser Jeremias nur der Stellvertreter des Abts ist.
    »Wer sagt uns denn, dass dieser Schongauer nichts mit der Sache zu tun hat?«, fuhr der Prior fort. »Schließlich haben Bruder Martin und Bruder Jakobus ihn und dieses Weibsbild am Tatort angetroffen. Und andere Mönche haben mir verraten, dass der Bader schon gestern bei Virgilius war. Bei ihm und bei Frater Johannes!«, fügte er drohend hinzu.
    Alle fünf Mönche musterten nun argwöhnisch Simon, sie schienen bis in sein Innerstes zu blicken. Erneut spürte der Medicus Feuer an seinen Füßen.
    »Gestattet mir bitte, zu erzählen, was sich zugetragen hat«, begann er stockend. »Ich … ich kann alles erklären.«
    Als der Abt wohlwollend nickte, begann Simon zu berichten. Er fing an mit seinem gestrigen Besuch bei Frater Johannes, erwähnte dessen Streit mit Virgilius und holte schließlich das blutverkrustete Okular hervor, das er in der Uhrmacherwerkstätte auf dem Boden gefunden hatte. Abt Maurus Rambeck ließ es sich geben und zeigte es dann den anderen Mönchen.
    »Das hier gehört eindeutig Bruder Johannes«, sagte er nachdenklich. »Der Schongauer Bader hat mir schon vor der Sitzung von seinem Verdacht erzählt. Ich habe daraufhin nach Johannes schicken lassen.«
    »Und?«, fragte der alte Bibliothekar.
    Maurus Rambeck seufzte. »Er ist verschwunden.«
    »Könnte er nicht einfach im Wald beim Kräutersammeln sein?«, mischte sich nun der Novizenmeister ein. Er war ein noch jüngerer Mann mit angenehmen Gesichtszügen und wachen Augen, die jedoch leicht gerötet waren. Simon fragte sich, ob er vielleicht geweint hatte.
    »Kräuter sammeln am frühen Morgen? Pater Johannes?« Der Cellerar Eckhart lachte hämisch. »Das wäre das erste Mal, dass unser lieber Mitbruder so früh unterwegs ist. Sonst sammelt er doch lieber bei Vollmond und lässt sich danach noch ein paar Humpen Bier schmecken.«
    »Ich habe jedenfalls ein paar Männer aus dem Dorf ausgeschickt, um ihn suchen und festnehmen zu lassen«, sagte Maurus Rambeck. »Bevor ich nicht mit ihm geredet habe, möchte ich den Landrichter nur ungern mit dem Vorfall belästigen. Ihr wisst alle, was das bedeuten würde.«
    Die Mönche nickten schweigend, und auch

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