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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Nepomuk recht hatte. Sie hatten es beide zu oft selbst erlebt, dass Vernunft und Logik in einem Hexenprozess keine Rolle spielten.
    »Verstehst du, Jakob?«, flüsterte der Apotheker. »Das hier ist nicht der Krieg, das ist schlimmer. Der Krieg folgt blutigen Gesetzen, doch der Glaube ist wie ein irres Rind. Wenn er einmal losgelassen wurde, ist er nicht mehr zu halten.«
    Wieder schwiegen beide. Als der Henker schließlich ­flu­chend gegen einen der Käsekörbe trat, krachte es so laut, dass die Soldaten draußen kurz ihren Schwatz unterbrachen.
    »Trotzdem. Du musst durchhalten, verstehst du?«, zischte Jakob Kuisl endlich, als er sicher sein konnte, dass draußen keiner Verdacht geschöpft hatte. »Wenigstens ein paar Tage! Sie werden dir die Folterinstrumente erst zeigen und sich dann langsam steigern. Du weißt, wie es zugeht. Gesteh auf keinen Fall! Wenn du gestehst, ist alles aus!«
    Nepomuk lachte verzweifelt. »Und was willst du tun, um mich dort wieder rauszuholen? Etwa auch zaubern?«
    »Schmarren! Ich werde dem Landrichter den wahren Hexer liefern. Doch dazu muss ich noch etwas in Erfahrung bringen, bei dem du mir helfen kannst.«
    Die ohnehin glubschigen Augen des Mönchs wurden noch ein wenig größer. »Weißt du denn, wer der Hexer ist?«, keuch ­te Nepomuk.
    »Ich glaube immerhin zu wissen, wer der Hostiendieb ist.«
    Jakob Kuisl drückte seinen Freund auf eine der Holz­kisten an der Wand, setzte sich neben ihn und erzählte in kurzen Worten, was er herausgefunden hatte. Als er geendet hatte, nickte Nepomuk nachdenklich.
    »Das … das ist unglaublich«, flüsterte er schließlich. »Aber so könnte es tatsächlich gewesen sein. Und was kann ich nun für dich tun?«
    Der Henker senkte die Stimme und sagte es ihm. Es war keine Minute zu früh. Draußen näherte sich bereits quietschend der Ochsenkarren mit der hölzernen Kiste.
    Nur wenig später erhob sich Jakob Kuisl in dem dämmrigen Kerker und sah seinem Freund noch einmal tief in die Augen.
    »Halt durch«, flüsterte er. »Alles wird gut. Dum spiro spero . Solange man atmet, ist Hoffnung.« Kuisl lächelte verlegen. »Das haben die zum Tode Verurteilten in Schongau manchmal auf ihre Kerkerwand geschrieben. Ein schönes Sprüchlein, auch wenn es meist nichts gebracht hat. Wollen wir beten, dass es wenigstens diesmal zu einem ­guten Ende führt.« Dann wandte der Henker sich ab und klopfte an die verschlossene Tür.
    »He, dort draußen!«, rief er herrisch. »Das erste Verhör ist beendet. Ihr könnt jetzt wieder aufmachen!«
    Der Riegel glitt zur Seite, und der Hauptmann öffnete die Tür. Dabei hielt er sein Gesicht abgewandt, so dass Kuisl keinen weiteren Blick auf sein Muttermal werfen konnte. Auch die anderen Soldaten verbargen sich im Hintergrund. Offenbar hatte jeder von ihnen irgendwo am Körper einen auffälligen Leberfleck.
    »Der Herr erleuchte uns auf unseren schwierigen Pfaden!«, knurrte Kuisl und schlug ein Kreuz. »Wir werden in Weilheim mit den Verhören fortfahren müssen. Aber leider erhärtet sich der Eindruck, dass hier Hexerei im Spiel ist. Vielleicht mehr, als wir zurzeit ahnen.« Er beugte sich verschwörerisch zu dem Hauptmann herunter. »Der Teufel schlüpft gern in die Haut von Mönchen. Von Mönchen und auch von Soldaten, wusstet Ihr das?«
    Mit energischen Schritten und hochaufgerichtetem Körper stapfte der selbsternannte Inquisitor von dannen, während unter lautem Getöse der Tross mit Kutsche, Ochsenkarren und Soldaten vor der Meierei haltmachte. Die Büttel stiegen gemächlich ab und steuerten auf die Taverne zu, um dort ihr wohlverdientes Mittagsbier zu trinken. Offenbar war der Transport des Gefangenen doch nicht so eilig, als dass man nicht vorher noch seinen Durst stillen konnte. Keiner der Männer beachtete den großen Mönch, der schweigend an ihnen vorbeistolzierte.
    Schon hinter der nächsten Ecke schürzte Jakob Kuisl die Kutte und rannte wie vom Teufel getrieben hinunter nach Erling ins Schinderhaus. Mittlerweile hatte der Henker eine Idee, wie er den Hostiendieb überführen konnte. Seine Vermutungen waren richtig gewesen. Nun galt es, den Täter in die Falle zu locken.
    »Hast du Papier und Tinte?«, fragte Kuisl atemlos seinen Vetter, der soeben ein totes Kalb von seinem Karren schob.
    Der Schinder grinste und deutete auf den stinkenden Kadaver. »Wenn du noch ein paar Wochen wartest, kannst du von mir auch feinstes Pergament haben. Ein echter Glücksfall! Ich hab das Vieh …«
    »Red ned so

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