Der Hexer von Sunnydale
sollten sich Willow und Xander nicht einen kleinen Spaß gönnen? Was ging es die beiden an, wenn Buffy sich nichts gönnte? Es war ja nicht ihre Schuld, daß Buffy eine Jägerin war und keinen Freund haben konnte. Es war nicht ihre Schuld, daß Buffy in so einer romantischen Nacht allein sein mußte. Auch wenn noch so viele Menschen um sie herum waren, fühlte Buffy sich stets allein.
In jeder Generation gibt es eine Jägerin. Nicht viele, nur eine. Sie war eine Abnormität - selbst die Leute, die auf dieser zwielichtigen Kirmes arbeiteten, waren mit ihr verglichen total normal.
Buffy trat aus der neonerleuchteten Gasse heraus und fand sich plötzlich am Rande des Festplatzes wieder. Auch hier hörte man noch die schallende Musik und roch fettige Fritten, aber man wurde nicht mehr von den Eindrücken erschlagen. Hier, hinter dem Festplatz, standen ramponierte Wohnwagen und schäbige Zelte. Summende Generatoren und ein Wirrwarr von Kabeln am Boden hielten die unechte Stadt am Leben.
Nun, da sie den sinnverwirrenden Eindrücken entronnen war, konnte Buffy wieder klar denken. Etwas war faul an diesen Schaustellern, die so jung und verführerisch waren. Wider Willen mußte sie vor sich selbst zugeben, daß es reichlich seltsam war, daß solche attraktiven Typen auf jemand wie Xander oder Willow abfuhren. Vielleicht litt sie auch einfach nur unter Verfolgungswahn, aber immerhin lag diese unechte Stadt genau über dem Höllenmund. Und fiese Typen wurden davon angezogen wie die Fliegen.
Weil sie gerade etwas Zeit übrig hatte, beschieß Buffy, sich einmal genauer umzusehen. Die Wohnwagen und Zelte lagen zwar im Dunkeln, aber sie brauchte nicht viel Licht, um etwas zu erkennen.
Sie suchte nach nichts Bestimmtem, wollte sich bloß umsehen. Seit Buffy ein kleines Mädchen gewesen war, hatte sie den Leuten in die Medizinschränkchen geschaut, wenn sie zu Besuch war und aufs Klo mußte. Sie war von Natur aus neugierig, und vielleicht war das ihre wichtigste Eigenschaft: Eine Jägerin war entweder neugierig oder sehr, sehr tot.
Ein durchdringender Geruch nach fauligem Obst und Fleisch stieg ihr in die Nase. Rasch drehte sie den Kopf und sah eine Reihe Mülltonnen hinter der Geisterbahn stehen. Den Müll anderer Leute zu durchsuchen gehörte zwar nicht zu Buffys Lieblingsbeschäftigungen, war aber die zweitbeste Möglichkeit, wenn gerade kein Medizinschränkchen in Sicht war. Sie atmete durch den Mund und ging vorsichtig auf die Mülltonnen zu.
Die waren überfüllt, und auch auf dem Boden rundum lag jede Menge Abfall. Da die Kirmes erst heute Abend eröffnet hatte, mußte das meiste von den Kirmesleuten selbst stammen, schloß Buffy. Mit der Spitze ihres Schuhs fegte sie Essensbehälter beiseite, Eierschalen, fettige Papierservietten, verdorbenes Obst und sonstigen Zivilisationsmüll.
Der Müll der Schausteller war ekelhaft, aber nicht besonders aufregend, und sie wollte ihren Forschergeist schon einer lohnenderen Aufgabe zuwenden, als ihr ein glänzender Gegenstand ins Auge fiel. Buffy kickte einen schmutzigen Lumpen beiseite und beugte sich herunter. Da lag eine Art Gürtel aus rotem Leder mit glänzenden Silbernieten und einer silbernen Schnalle. Sie drehte das Ding herum und sah, daß Anhänger aus Metall daran hingen.
Das ist ja ein Hundehalsband.
Mit einem bangen Gefühl der Vorahnung, das sich in ihrem Magen ausbreitete wie ein Bausch Zuckerwatte, hob Buffy das Hundehalsband auf und las, was auf den Anhängern stand. Der eine war die Hundemarke. Auf dem anderen stand ein Name. Tiger.
Buffy leckte sich die trockenen Lippen. Sie entsann sich, wie ein paar Nächte zuvor ein Rudel Kojoten auf ihrer Straße einen Hund namens Tiger erbeutet hatte. Wie kam das Halsband des armen Tieres hierher?
Da knackte ein Zweig - Buffy sprang auf die Füße und wirbelte herum. Der alte grauhaarige Schausteller vom Riesenrad stand ein paar Meter entfernt und starrte sie aus blaßgelben Augen an. Wieder war sie sicher, diese Augen schon einmal irgendwo gesehen zu haben. Noch schlimmer war, daß er sich so nah an sie heranschleichen konnte, ohne daß sie es merkte. Das war ihr noch nie passiert. Es gefiel ihr auch nicht, wie er immer mit dem schweren Schraubenschlüssel in seine schmutzige Hand schlug.
„Was hast du da zu suchen?" fragte er barsch.
Buffy hielt Tigers Halsband hinter dem Rücken versteckt und stopfte es in ihren Gürtel. Sie kannte diese Augen. Aber woher? Und dann schnappte sie nach Luft, als ihr plötzlich
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