Der Himmel auf Erden
an der Tür stehen. »Du bist auch willkommen«, sagte sie.
»Wie bitte?«
»Komm doch eine Weile mit. Es gibt auch ein Weihnachtsessen.« Sie lächelte und verdrehte die Augen. »Fredrik hat irgendwas mit Polenta gemacht. Damit kommt er der Yamswurzelgrütze am nächsten, meint er.«
»Fredrik Halders, immer darauf bedacht, kulturelle Abgründe zu überbrücken«, sagte Winter.
Aneta Djanali lachte.
»Sorry«, sagte er, »ich muss leider arbeiten.«
»Wo?«
»Hier. Und zu Hause.«
»Erik, es ist Heiligabend, und du bist allein. Ein bisschen Gesellschaft schadet nichts.«
»Mal sehen«, sagte er.
»Du kannst ja auch später abends noch anrufen.«
»Ich ruf an«, sagte er. »Grüß Fredrik.« Sie schloss die Tür hinter sich, und er ging zum CD-Spieler und stellte ihn an. Dann rauchte er noch einen Corps am angelehnten Fenster. Der Rauch wurde von einem Wind abgezogen, den er vorher nicht bemerkt hatte.
Das Zimmer hinter ihm füllte sich mit dem Träne's Slo Blues, Earl Mays Bass und Arthur Taylors Schlagzeug, doom, doom, doom, doom, doom, doom, dann Coltranes Tenorsaxophon, das Ruhe und Unruhe zugleich vermittelte, die schwere Einfachheit, die er immer noch nirgendwo anders als im Jazz gefunden hatte, obwohl er andere Musik entdeckt hatte, die er auch mochte und die in sein Leben passte.
Lush Life jetzt, das schöne Intro, wie ein Soundtrack zum Rauch, der sich in einem Silberschimmer von seinem Zigarillo hinaus in den Abend ringelte. Es war Musik zum Träumen, aber er träumte nicht.
Sein Handy auf dem Schreibtisch klingelte. Er drehte die Musik leiser und nahm den Hörer, in der anderen Hand den Zigarillo.
»Fröhliche Weihnachten, Papa!«
»Fröhliche Weihnachten, mein Liebling.«
»Was machst du, Papa?«
»Ich hab hier gestanden und gedacht, jetzt muss ich Elsa anrufen«, antwortete er und ließ eine kleine Säule Asche in den Aschenbecher fallen.
»Ich war die Erste!«
»Du bist immer die Erste, Liebling«, sagte er und war froh, dass Angela seine Worte nicht hörte. Was machte er dann hier und sie dort? »Hast du schon deine Geschenke ausgepackt?«
»Der Weihnachtsmann ist noch nicht da gewesen«, sagte sie.
»Er wird bestimmt jeden Augenblick kommen.«
»Hast du die Weihnachtsgeschenke gefunden?!« Himmel, dachte er, die Weihnachtsgeschenke.
»Ich werde sie heute Abend öffnen«, sagte er.
»Wann kommst du, Papa?«
»Bald, Liebling.«
»Du sollst JETZT kommen«, sagte sie, und er hörte andere Stimmen in der Leitung. Vielleicht hatten heute Abend alle dieselbe Botschaft.
»Ich komme, bevor Weihnachten vorbei ist«, sagte er.
»Was machst du denn so?«
Offene Fragen, dachte er. »Hab mit einer Miezekatze gespielt«, sagte sie. »Sie heißt Miau.«
»Das ist aber ein schöner Name für eine Katze.«
»Sie ist schwarz«, sagte Elsa.
Winter hörte ein Echo und ihre Stimme verschwand, dann kam eine andere Stimme: »Hallo?«
»Hallo«, antwortete er. »Hier ist Angela. Wo bist du?«
»In meinem Zimmer im Präsidium«, antwortete er.
»Gott sei Dank«, sagte sie. »Fröhliche Weihnachten«, sagte er.
»Wie geht es voran?«
»Vielleicht wirklich voran.«
»Gibt es etwas Neues von dem Jungen?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht nähern wir uns der Lösung. Aber wir haben ihn noch nicht gefunden.«
»Sei vorsichtig, Erik.«
»Die Lösung ist… nahe. Ich hab so ein Gefühl.«
»Sei vorsichtig«, wiederholte sie. »Ich weiß, dass du vorsichtig sein musst in diesem… Fall.«
»Mhm.«
»Du musst ständig daran denken, Erik. Vorsichtig zu sein.«
»Ich verspreche es. Ich hab von Elsa gehört, dass…«
Sein Diensttelefon auf dem Schreibtisch klingelte. »Warte mal eine Sekunde, Angela.« Er meldete sich nach dem zweiten Klingeln.
»Jaa, hallo Winter, hier ist Björk von der Wache. Du hast Besuch. Ein Jerner, Mats Jerner.«
Winter sah auf seine Uhr. Jerner hatte sich eine Stunde verspätet. Er hatte ihn vergessen, total vergessen. War so was schon mal passiert? Nicht, soweit er sich erinnern konnte.
»Ich komme runter.« Er sprach wieder ins Handy.
»Ich ruf später noch mal an, Angela. Grüß meine Mutter.«
»Ich höre, dass du arbeitest.«
»Es geht voran«, sagte er und schickte ihr einen Kuss durch die Leitung.
Der Besucher stand noch am Schalter. Er könnte in Winters Alter sein, ein wenig älter. Ich weiß ja ungefähr, wie alt er ist. Carlström hat es erzählt.
Winter öffnete die Glastüren zum Wartezimmer.
»Mats Jerner? Erik Winter.«
Jerner nickte und gab
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