Der Himmel so fern
geschrieben stand. Es sah aus wie eine Geburtstagskarte. Sein Zeigefinger zitterte, als er den zugeklebten Umschlag öffnete. Dann legte er ihn wieder hin und sah die beiden fremden Menschen an, die seine Reaktionen ganz genau verfolgten.
»Rebecka hat Höhenangst«, erklärte er. »Sie würde sich niemals irgendwo hinunterstürzen. Ich bin sicher, dass Sie sich irren.« Er unternahm einen Versuch zu lächeln, doch keiner der beiden Beamten lächelte zurück. Nach ein paar Sekunden Stille wandte er sich wieder dem Umschlag zu, der nun geöffnet auf seinem Schoß lag. Darin fand er ein Papier, Größe A 4 , zweimal gefaltet. Der Text war kurz und in Rebeckas unverwechselbarer Handschrift geschrieben.
Mikael,
es ist am besten so. Für uns beide.
Verzeih mir.
Ich liebe dich,
Rebecka
Mikaels Hand fiel auf seine Oberschenkel. Eine ganze Weile saß er bewegungslos da. Niemand im Zimmer rührte sich. Dann reichte er den Brief der Frau in Uniform, die nun vor der Armlehne seines Sessels hockte. Als sie ihn überflogen hatte, gab sie ihn an den Kollegen weiter, der dann ebenfalls die Zeilen las.
»Mein Beileid.« Sie griff nach seiner Hand, während sein Kollege sich auf das Sofa gegenüber setzte. »Wie geht es Ihnen?« Sie betrachtete ihn kritisch.
Mikael saß schweigend da, saß einfach da, als hätte er die Frage nicht gehört. Sein Blick irrte durch den Raum. »Das kann nicht Rebecka sein«, sagte er schließlich. »Sie …«
Keiner sprach ein Wort, die beiden ließen ihn weiterreden.
»Sie kann nicht tot sein. Heute Morgen haben wir uns noch gesehen. Sie musste zur Arbeit. Viele Meetings, ein Geschäftsessen. Sie sagte, es würde spät werden heute Abend …« Wieder verstummte er. »Sind Sie ganz sicher, dass es sich um Rebecka handelt? Meine Rebecka?« Es stand fest, dass sie den Brief geschrieben hatte, das sah er wohl, doch ein Brief war ein Brief. Das hatte nichts zu bedeuten.
»Ja.« Jetzt antwortete der andere Polizist. Er war äußerlich ruhig, und seine Stimme war gefasst, doch er hatte seine Hände geschlossen und die Finger hart ineinander verkrallt. »Es gibt Zeugen, die gesehen haben, wie sie sprang. Sie soll mit ihrem Wagen die Fjällgata hochgefahren und dort oben irgendwann zwischen zweiundzwanzig Uhr und zweiundzwanzig Uhr fünfzehn angekommen sein. Die Zeugen, die sie am Stadsgårdskaj gesehen haben, meinten, es sei zweiundzwanzig Uhr siebzehn gewesen, als … als sie starb.«
Die blonde Polizistin hielt noch immer Mikaels Hand.
»Vorerst haben wir uns um ihren Wagen gekümmert«, sagte sie. »Der Schlüssel lag im Handschuhfach. Im Auto befanden sich ihre Aktentasche und ein paar Kleidungsstücke. Der Brief lag auf dem Beifahrersitz. Sie bekommen all die Dinge selbstverständlich schnellstmöglich ausgehändigt.«
Mikael sah auf. »Aber, ich verstehe nicht … Warum sollte Rebecka sich das Leben nehmen?«
»Tja …« Die Polizistin holte tief Luft, aber dabei blieb es.
»Im Brief stand davon nichts. Und wieso verzeihen? Wofür denn? Warum sollte es so das Beste für uns beide sein? Ich verstehe es einfach nicht.« Mikael zog seine Hand weg und rieb sich über die Stirn.
»Wie ging es Ihrer Frau in der letzten Zeit?« Der Beamte auf dem Sofa formulierte seine Frage sehr vorsichtig.
»Wie immer. Glaube ich.« Mikael war verunsichert, sah im Geiste Rebecka vor sich. Wie sie morgens ihren Kaffee im Stehen vor der Spüle trank. Wie sie von dem Geschäftsessen gesprochen und ihn informiert hatte, dass es spät werden würde. Er wollte ihre Augen vor sich sehen, doch immer, wenn er versuchte, das Bild in seiner Erinnerung heranzuzoomen, wandte sie den Kopf zur Seite, als ob sie ihm nicht ins Gesicht sehen wollte. Hatte er etwas nicht bemerkt, etwas überhört? »Sie stand vielleicht ein bisschen unter Strom, aber so ist das in ihrem Beruf. Es geht auf und ab. Manchmal hat sie extrem viel Arbeit. Und mitunter auch noch mehr«, fügte er nach einer kurzen Pause hinzu.
»Sie war angestellt bei …« Der Polizist blätterte in seinen Unterlagen und las vor »… Kauffmann & Jacobs. Was für eine Stelle hatte sie?«
»Das ist eine Anlageberatungsfirma, sie war im Private Banking tätig. Hat das Geld betuchter Leute angelegt. Sie …« Mikael schaute verwirrt auf, als ob er plötzlich den Faden verloren hätte. Eine Zeitlang war es völlig still im Zimmer.
»Kennen Sie den ein oder anderen Kollegen von ihr?«
»Kollegen? Nein. Aber ihren Chef habe ich einige Male getroffen. Björn
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