Der Himmel so fern
Spaß daraus zu raten, wie viel Zeit nun zwischen den einzelnen Ereignissen vergangen sein mochte, doch ich hatte keinen Messapparat. Meine Uhr war bei dem Sturz kaputtgegangen, was mich sehr ärgerte. Immerhin war es eine Rolex, die unverwüstlich sein sollte, und jetzt konnte ich diesen Makel nicht einmal reklamieren.
Als ich Arayan fragte, wie sie im Himmel die Zeit verfolgten, wurde daraus wieder einmal eines dieser Gespräche, die ich am Ende nicht mehr ertrug. Um selbst mit dem verlorenen Zeitverständnis umgehen zu können – oder wie ich sagte, dem fehlenden Messwerk – versuchte ich anzunehmen, was Arayan mir zu erklären versuchte. Dass die Zeit, so wie ich sie kannte, hier bei uns nicht existierte.
Wenn ich wieder zu Mikael zurückwollte, machte ich es so, wie ich es gelernt hatte. Ich stellte es mir vor, und im selben Moment war ich da. Ich fühlte mich wohler in der Umgebung, die mir so vertraut war, und plötzlich war so Alltägliches wie das Ticken einer Uhr, Sonnenauf- und untergang und der Wechsel des Wetters ein wahrer Genuss.
Meine Fähigkeit, mit Mikael zu kommunizieren, wurde von Tag zu Tag besser. Ich machte die Erfahrung, dass ich seine Gedanken am besten erreichen konnte, wenn er allein war und möglichst entspannt. Während des Schlafes natürlich auch, doch am besten ging es dann, wenn Birgitta schon im Bett war und Mikael noch allein vor dem Fernseher saß. Vorausgesetzt, dass das Fernsehprogramm nicht besonders spannend war, eröffneten diese späten Stunden einen guten Zugang zu ihm. Wenn er seine Aufmerksamkeit auf den Film richtete, ließ ich wieder von ihm ab und lehnte mich selbst entspannt ins Kissen zurück und verfolgte die Ereignisse auf dem Bildschirm. Auch wenn wir dann nicht direkt miteinander kommunizierten, spürten wir doch beide die Anwesenheit des anderen, und manchmal kam es vor, dass wir über denselben Witz lachten oder die Nase rümpften über einen aufgeblasenen Politiker, der in den Abendnachrichten interviewt wurde. Von außen betrachtet hätten wir ein skurriles Bild abgegeben, vorausgesetzt, jemand wäre in der Lage gewesen, uns beide zu sehen.
Was ich eigentlich genau wollte, war mir nicht ganz klar. Nur dass ich um jeden Preis bei Mikael sein wollte. Ich hatte sieben Jahre hinter mir, in denen ich ihn immer auf Distanz gehalten hatte, nun tat ich alles, um wenigstens in seiner Nähe sein zu können. Ich wollte ihn an mich erinnern. Das war nicht weiter schwer, denn er dachte ohnehin fast den ganzen Tag an mich. Immerhin war ich noch nicht lange tot. Doch es war weniger die Fülle der Gedanken oder die Anzahl der Stunden, die ich zu beeinflussen suchte, vielmehr ging es mir um die Inhalte der Erinnerungen, in die er versank. Wenn er das Haus verließ und sich ins Auto setzte, nahm ich neben ihm Platz und erzählte ihm kleine Geschichten aus unserem Leben. Ich suchte nur die positiven, schönen Erinnerungen aus, die ein Lächeln auf sein Gesicht zauberten, doch auch das war nicht leicht. Manchmal kam es vor, dass er am Straßenrand anhalten musste, weil ihn die glücklichen Erinnerungen zum Weinen brachten, während ich neben ihm saß und versuchte, beruhigend auf ihn einzureden.
Vielleicht wäre es in diesen Momenten barmherziger gewesen, ihn an alles andere zu erinnern.
»Rebecka, ich habe über die Reise nachgedacht.«
»Und?«
»Ich glaube, wir werden es nicht schaffen. Der Mast ist noch nicht fertig, und der Motor fehlt. Das schaffen wir in drei Monaten nie.«
»Warum verschiebt ihr nicht die Abfahrt?«
»Geplant ist geplant. Wir haben drei Monate Kündigungsfrist. Wenn wir im Oktober losfahren, muss ich jetzt kündigen.«
»Und wenn ihr einfach später ablegt?«
»Ich habe versucht, mit Stellan darüber zu reden, aber er hört mir nicht zu. Ich glaube, er traut mir nicht mehr über den Weg.«
»Aber warum denn? Ihr wollt doch beide endlich los.«
»Ich weiß nicht …«
»Was soll das heißen? Das ist doch seit Jahren geplant!«
»Ich weiß, und es quält mich …«
»Was quält dich?«
»Dass ich nicht mehr weiß, ob ich es wirklich will. Jedes Mal, wenn wir auf dem Boot sind und arbeiten, denke ich darüber nach.«
»Hat das vielleicht irgendwie mit mir zu tun?«
»In gewisser Weise …«
»In gewisser Weise?«
»Unser Vorhaben bedeutet, dass wir einige Jahre fort sein werden. Ich weiß nicht, ob ich das will. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich mich in dich verliebe. Jetzt ist es passiert, und meine Reisepläne
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