Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Himmel so fern

Der Himmel so fern

Titel: Der Himmel so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kajsa Ingemarsson
Vom Netzwerk:
sich nirgendwo vorstellen.
    Ich bemerkte, dass mich die anderen auch eingehend betrachteten. Da wurde mir klar, dass ich sie offenbar hemmungslos angestiert haben musste. Peinlich. Eine Unart, die ich mir zugelegt hatte, seit ich in der richtigen Welt unsichtbar war. Wahrscheinlich sah ich hier genauso unmöglich aus, in meiner weißen Seidenbluse, dem schwarzen Kostüm, Nylonstrümpfen und ohne Schuhe. Ich konnte mir nicht verkneifen, darüber nachzudenken, ob ich mich hier jemals würde umziehen können oder ob wir jetzt allezeit auf diese Kleidung angewiesen waren, die wir zufällig trugen, als wir in den Himmel kamen. Wenn ich das im Voraus gewusst hätte, dann hätte ich mir doch etwas weniger Förmliches angezogen und ganz sicher einen etwas diskreteren Nagellack aufgetragen.
    »Wollen wir uns vielleicht erzählen, wie wir hierhergekommen sind, oder findet das jemand zu indiskret?« Anna sah in die Runde. Mir schoss durch den Kopf, dass Gruppenübungen überhaupt nicht mein Fall waren, doch ich beherrschte mich und behielt es für mich. Wohl kaum eine passende Situation, um Konflikte heraufzubeschwören.
    Birger röchelte. »Wir sind gestorben, was gibt es da mehr zu sagen?«
    »Keine Ahnung, vielleicht auch nichts.« Anna zuckte etwas eingeschnappt mit den Schultern.
    »Ich bin an einem Herzinfarkt gestorben.« Valdemar fingerte an seiner Manschette. »Ich hatte gerade meine Morgentoilette hinter mir und mich angezogen. Ich wollte ins Krankenhaus fahren und meine Frau besuchen, wie immer – ich helfe ihr immer beim Essen –, da fühlte ich plötzlich diesen Schmerz in der Brust. Ich hatte auch früher schon mit dem Herzen zu tun, und daher wusste ich gleich, was es war. Doch ich schaffte es nicht bis zum Telefon, ich brach vorher zusammen. Es war ein widerwärtiger Schmerz, und es dauerte nicht lange, da verlor ich das Bewusstsein. Das Krankenhauspersonal hatte unseren Sohn verständigt, als ich nicht wie gewohnt erschien und auch nicht ans Telefon ging. Er hat mich dann gefunden. Heutzutage muss man wohl sagen, dass ich Glück hatte. Wie oft steht in der Zeitung, dass Tote irgendwo liegenbleiben …«
    »Sie sehen aber so aus, als hätten Sie bereits ein stattliches Alter erreicht. Wie alt waren Sie?«
    »Sechsundachtzig. Meine Ehefrau ist fünf Jahre jünger.« Valdemar sah Birger, der diese Frage gestellt hatte, traurig an. »Und wie alt sind – oder wurden – Sie, wenn ich fragen darf?«
    »Vierundvierzig. Sie können froh sein, dass Sie so plötzlich gestorben sind, ich habe fünfundzwanzig Jahre daran gearbeitet, bis es mir endlich gelang, mich kaputtzukriegen.«
    Ich sah auf, das klang interessant. War ich hier nicht die Einzige, die sich das Leben genommen hatte? Dann schaute ich Birger wieder an und erfuhr, was er gemeint hatte.
    »Das war natürlich der Alkohol«, fuhr er fort. »Ich habe mich gleich beim ersten Mal in die Flasche verliebt. Da war ich noch nicht alt, aber es schien, als hätte ich genau danach gesucht. Unter Alkohol entspannte ich mich, wurde unterhaltsam und charmant. Plötzlich fand ich, dass ich der Welt so viel Spannendes mitzuteilen hatte. Und erst die Frauen! Einen ganzen Harem hatte ich damals am Haken.« Er lächelte bei dem Gedanken daran. »Ja, dann habe ich Monica kennengelernt. Ich war damals schon gefährdet, aber das war mir gar nicht klar. Monica hat es gleich gesehen. Ständig gab es was zu feiern. Dann wurde sie schwanger und meinte, dass damit nun Schluss sein müsse. Sie schaffte es mit links, und dann kam Alex zur Welt. Mensch, wie stolz war ich da, wenn das kein Grund zum Feiern war! In der ersten Zeit war ich noch mehr in den Kneipen unterwegs als vorher. Dann machte Monica ernsthaft Schluss. Drei Monate riss ich mich zusammen, dann ging wieder alles den Bach runter. Es spielte keine Rolle, dass Monica mich rauswarf und ich Alex nicht mehr sehen durfte. Ich steckte in einer Sackgasse. Seitdem habe ich auf einer verdammten Bank in der Innenstadt gehockt und gesoffen, bis der Körper nicht mehr mitmachte. Zuerst die Leber, aber ein Lotteriespiel war es ja sowieso, denn in meinem Körper tat nicht ein einziges Organ mehr das, was es sollte.« Er seufzte und schüttelte den Kopf.
    »Bei mir war es Krebs.« Anna blickte auf die Schatten neben mir. »Brustkrebs. Ich war in der sechsten Woche schwanger, als ich den Knoten entdeckte. Die Ärzte sagten, ich müsse das Kind abtreiben lassen, um behandelt werden zu können, doch das lehnte ich ab. Ich brachte es

Weitere Kostenlose Bücher