Der Himmel so fern
Süßigkeiten, die Mikael für türkisches Konfekt hielt, und eine imposante Früchteschale, randvoll gefüllt, stand daneben.
»Wie viel Mühe du dir gemacht hast.« Mikael sah sich um. Es war ihm richtig unangenehm.
»Ich hatte keine Ahnung, worauf du Lust hast, und da habe ich einfach von allem etwas besorgt.« Mette hatte sich wieder beruhigt und lächelte ihn an. Sie war blass, aber sonst ganz die Alte. »Was kann ich dir anbieten? Wein, Tee, Kaffee, Saft …? Einen Drink?«
Er überlegte einen Augenblick. »Vielleicht einen Saft?«
»Gern.« Mette verschwand in der Küche, nachdem sie ihn gebeten hatte, es sich gemütlich zu machen.
Vorsichtig ließ er sich in der einen Ecke des Sofas nieder. Die Kissen waren groß und bauschig, so dass er sie etwas zurechtrücken musste, bis er bequem saß. Als Mette mit zwei Gläsern Saft und einer Kanne in der Hand zurückkam, setzte sie sich auf das große Bodenkissen an einer Seite des Tisches. Ihre Augen sahen traurig aus, als sie das Glas zur Begrüßung hob.
»Das ist alles so schrecklich«, sagte sie. »Ich kann es immer noch nicht fassen, dass sie nicht mehr da ist. Mein halbes Leben habe ich sie gekannt. Menschen dürfen doch nicht einfach so verschwinden, schon gar nicht die Menschen, die man liebt. Sie reißen einem Löcher ins Leben.« Sie legte eine Hand auf ihr Herz, und einen Moment lang befürchtete Mikael, sie würde wieder anfangen zu weinen. Er wusste nicht, ob er das aushalten würde. Doch stattdessen holte sie ganz tief Luft. »Mensch, und wie wütend ich war!«, sagte sie plötzlich, und ihre Stimme war mit einem Mal energiegeladen. »Verdammte Rebecka!«
Mikael konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Das kam so unverhofft, dabei hatte er das auch schon gedacht,
Verdammte Rebecka!
»Was glaubst du, was eigentlich passiert ist?«, fragte er sie, als keiner von ihnen mehr lachte. Wie ungewöhnlich, mit einem Mal stellte er die Fragen!
»Ich weiß es nicht.«
»Wusstest du denn, dass sie eine Abtreibung hat machen lassen?« Eigentlich wollte er das Thema gar nicht ansprechen, sie auch nicht danach fragen, doch nun war es zu spät.
»Eine Abtreibung?« Mette riss die Augen auf. »Wann?«
»Im August. Bei der Polizei haben sie mir die Unterlagen des Arztes vorgelegt.«
»Aber … warum denn?«
Mikael zuckte mit der Schulter, während ihm klar wurde, dass er hier wohl kaum Antworten auf seine Fragen bekommen würde, was er im Stillen gehofft hatte.
Mette zwinkerte. »Aber ihr wolltet doch Kinder«, sagte sie leise. »Warum sollte Rebecka das Kind abtreiben?«
Mikael starrte sie an. »Wir wollten keine Kinder.« Er schüttelte demonstrativ den Kopf. »Wovon redest du? Rebecka wollte nicht, das weißt du genau. Das Thema war tabu.«
Dann wurde es still im Zimmer. Mette griff mit der Hand in ihre Locken, drehte sie auf dem Rücken zusammen, dann ließ sie sie wieder los und sah Mikael ins Gesicht. »Im Winter hat sie mir noch erzählt, dass sie beschlossen habe, schwanger zu werden, und dass sie die Pille abgesetzt habe.« Mette hatte sich wieder gefasst. »Wusstest du das nicht?«
»Nein.«
»Das ist ja völlig krank.« Mette schüttelte langsam den Kopf, sie litt mit ihm. »Was hatte sie vor? Warum hat sie das heimlich gemacht? Ob sie dich überraschen wollte?«
Mikael sah ihr ins Gesicht. »Ich habe nicht die geringste Ahnung«, erwiderte er. Was er eben erfahren hatte, war nun noch diffuser als das, was die Polizei ihm mitgeteilt hatte. Wollte sie Kinder? Hatte Rebecka ihre Meinung geändert? Und warum hatte sie ihm nichts davon gesagt? Seine Gedanken wirbelten durch die Luft wie trockene Blätter im Herbststurm.
Mette seufzte tief. »Es tut mir so leid, Mikael«, sagte sie leise. »Es ist schrecklich, dass du das alles im Nachhinein erfährst. Und die Sache mit der Abtreibung … Ich verstehe das nicht. Rebecka war doch niemand, der unüberlegte Entscheidungen traf. Wenn sie beschließt, schwanger zu werden, warum lässt sie dann einen Abbruch vornehmen, wenn sie schwanger ist?«
Die Fragen standen im Raum, und keiner von ihnen wusste darauf eine Antwort. Mette reckte sich nach einer Weintraube und biss sie in der Mitte durch, bevor sie einige Male darauf herumkaute und dann beide Teile herunterschluckte.
»Das werden wir vermutlich nie erfahren.« Mikael sah sie an, während er versuchte, sich zu fassen.
»Nein.« Mette sah traurig aus. »Aber irgendwie passte es auch zu ihr. Rebecka konnte wie eine Muschel sein. Wenn sie sich
Weitere Kostenlose Bücher