Der Himmel so fern
»Verrückt, nicht wahr?«
Ein paar Minuten später war er fort. Der Zitronenduft der Kerzen haftete noch an seinen Kleidern, und als Mikael Schritt für Schritt die Treppe hinunterstieg, umhüllte er ihn wie eine unsichtbare Wolke, die Ruhe und Wärme ausstrahlte.
Ich hatte die Entscheidung getroffen, schwanger zu werden. Die Kluft zwischen uns wuchs von Tag zu Tag, und es gelang mir nicht, Mikael wieder zurückzulocken, egal, was ich auch probierte. Manchmal wurde ich so furchtbar wütend auf ihn. Denn er brach unser Abkommen, er reagierte mit einem Mal nicht mehr so wie gewohnt. Seinem Desinteresse stand ich machtlos gegenüber. Meine so perfekt einstudierte Rolle ähnelte zunehmend der eines strengen Vaters, und meine Gesten wurden immer geschwollener. Die Fünkchen Sicherheit, die ich ihm früher gewährt hatte, konnte ich nun nicht mehr zulassen. Ich achtete sehr darauf, kleine Zweifel zu säen und zögernd zu reagieren, was bis dahin immer meine stärkste Waffe gewesen war. Doch meine Panik wuchs von Tag zu Tag, als ich merkte, dass es langsam nicht mehr funktionierte.
Von außen betrachtet schien unsere Beziehung unberührt von dem Kampf, der sich unter der Oberfläche abspielte. Aber ich wusste, dass wir uns weiter voneinander entfernt hatten, als wir es jemals gewesen waren, und dieser Abstand mit jedem Wochenende, an dem einer von uns Überstunden machte und der andere dies nur mit einem Achselzucken kommentierte, größer wurde.
Ich glaube, da kam mir die Idee, die vermutlich verzweifelte Frauen zu allen Zeiten hatten. Wie der Ruf einer primitiven Urkraft überkam sie mich. Drohend und angsteinflößend, aber doch der einzig erfolgversprechende Ausweg, der mir einfiel.
Ich würde ihm ein Kind schenken. Auf diese Art würde ich ihn zurückgewinnen und ihn für immer an mich binden. Mit einem Kind hätte ich ihn in der Hand.
Kaum hatte ich diese Gedanken gehabt, ließen sie mich nicht mehr los. Eine innere Stimme schrie, dass ich es lassen solle. Kinder schoben sich zwischen zwei Menschen, sie konnten sie auch trennen, rief sie. Doch je länger ich über die Sache nachdachte, desto sicherer wurde ich mir, dass kein Weg daran vorbeiführte. Ich würde mir selbst Gewalt antun, ich würde meine Ängste ignorieren, doch ich würde es für uns tun. Wie so vieles andere ordneten sich meine eigenen Wünsche und meine eigenen Sorgen dieser Entscheidung unter. Jetzt ging es nur um uns, und wenn Mikael meinte, dass uns ein Kind retten würde, dann sollte er es bekommen.
Ich setzte die Pille ab, ohne ihm etwas davon zu sagen. Ich ertrug die Vorstellung nicht, dass er sich mir künftig nähern würde, weil er Gefühle und Wünsche in sich trug, die gar nichts mit mir zu tun hatten, sondern mit etwas anderem. Mit jemand anderem. Mit mir zu schlafen, nur um ein Kind zu zeugen, war in meinen Augen ebenso eine Form von Untreue wie das Fremdgehen mit einer anderen Frau.
Es klappte nicht so schnell, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich war wohl so naiv gewesen zu denken, dass das Kind in dem Moment entstehen würde, in dem ich den Beschluss gefasst hatte, doch unser Liebesleben war sporadisch geworden und aus Wochen wurden Monate.
Doch dann kam er schließlich. Der Tag, an dem der Schwangerschaftstest positiv war.
Und mein Leben zusammenbrach.
»Ich denke darüber nach, zu kündigen. Ich bin …« Es knackte in der Leitung, und Mikaels Stimme war für einen Moment verschwunden.
»Was hast du gesagt? Wo bist du?«
»Ich habe den Job so satt.«
»Dann musst du dir eben etwas anderes suchen. Lindwalls ist ja nicht der einzige Makler in der Stadt. Es täte dir sicher gut, dich zu verändern. Und wenn man ein bisschen flexibel ist, kann man sogar das Einkommen positiv beeinflussen.«
»Hallo, ist dir klar, mit wem du sprichst?«
»Meinst du, bei dir wäre es anders?« Ich rückte mein Freisprechkabel zurecht und drehte ein paarmal an meinem Ehering.
»Nein, ich meine, dass du wissen müsstest, dass es mir nicht ums Geld geht.«
»Es ist kein Verbrechen, ein höheres Gehalt anzustreben.«
»Ich weiß, deine Meinung dazu kenne ich.«
»Was meinst du?«
Mikael seufzte. »Wie gesagt, ich rede doch gar nicht vom Geld. Ich bin diesen Job so leid.«
»Und was würdest du dann machen?«
»Genau das weiß ich eben nicht. Verdammt nochmal, musst du immer gleich eine Lösung parat haben?«
»Ich dachte, du hast mich angerufen, um mit mir ein Problem zu besprechen.«
»Ich hatte gehofft, mit meiner Frau sprechen zu
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