Der Himmel so fern
können, aber offenbar bin ich bei einem verfluchten Unternehmensberater gelandet!«
»Das tut mir leid. Wenn du meine Ratschläge oder meine Fragen nicht hören willst, dann hättest du vielleicht nicht anrufen sollen.«
»Nein, hätte ich wohl nicht. Aber wie man so schön sagt, die Hoffnung stirbt zuletzt …«
Ich spürte, dass Mikael kurz davor war aufzulegen, und beschloss, einen etwas sanfteren Ton anzuschlagen.
»Schatz, ich weiß, dass dir deine Arbeit keinen Spaß mehr macht und dass dich das frustriert, aber bevor du keine Alternative hast, ist es vielleicht besser abzuwarten? Oder was meinst du?«
Mikael brummelte vor sich hin, mein netterer Tonfall hatte durchaus Effekt, immerhin versuchte er nicht mehr, das Gespräch zu beenden. »Und was ist, wenn mir nichts Besseres einfällt, soll ich dann bleiben? Und wie lange? Rebecka, denk’ doch mal daran, wie es war, als wir uns kennengelernt haben. Ich habe damals schon gesagt, dass mich die Arbeit ankotzt. Das ist Jahre her.«
»Aber so schlimm ist es doch wohl nicht gewesen?« Ich schielte auf die Uhr, eine Rolex, ich hatte sie zu unserem ersten Hochzeitstag von Mikael geschenkt bekommen. Damals ein viel zu teures Geschenk, es war ein extrem sportliches Modell, aber ich war ganz hin und weg, und ich glaube, auch Mikael hatte seine Freude daran – immerhin trug ich sie jeden Tag. »Du, ich muss jetzt in eine Besprechung …«
Er ignorierte meinen letzten Satz. »Schlimm? Muss es erst schlimm sein? Ist die Alternative vielleicht der Tod? Ich dachte, der Sinn läge darin, dass einem die Arbeit Spaß macht, dass man merkt, man wird gebraucht. Wie ist es bei dir?«
»Ob ich gebraucht werde? Das kann man wohl sagen. Viele Leute können ihr Geld nicht allein anlegen, und ich sorge dafür, dass das auf die sinnvollste Art und Weise geschieht. Da wird man wirklich gebraucht.« Meine sanfte Stimme war wieder verschwunden. »Mikael, ich muss jetzt aufhören. Lass’ uns darüber reden, wenn ich morgen wieder zu Hause bin.«
»Und wann wirst du kommen? Rechtzeitig zum Abendbrot? Wir könnten doch essen gehen, oder ich bringe etwas mit.«
»Ich lande erst um 21 . 20 Uhr, das wird sicher zu spät. Vielleicht gehen wir dann lieber am Wochenende essen? Nur nicht am Freitagabend, da habe ich noch einen Termin.«
»An einem Freitagabend?«
»Klienten aus den USA . Sie haben ein enges Zeitraster.«
»Du auch.«
»Ja, ich auch. Bis morgen. Pass’ auf dich auf!«
Ich hatte nicht die Wahrheit gesagt, bis zu meinem Meeting hatte ich noch eine halbe Stunde Zeit. Nach Mikaels mauligem Schlusssatz packte ich das Handy in meine Tasche und begann etwas zerstreut in der Financial Times zu blättern, die ich bereits am Morgen gelesen hatte. Ein Kellner tauchte auf und fragte, ob ich noch einen Kaffee wolle. In der Lobby war es angenehm ruhig, vereinzelt saßen Geschäftsleute an ein paar Tischen und führten ihre diskreten Gespräche mit gedämpfter Stimme. Gleich würde ich selbst das gleiche Bild abgeben. Eine überzeugende Unternehmenspräsentation mit Hilfe einiger aussagefähiger Powerpointcharts auf meinem Laptop abliefern, ein paar Worte zu meinem Werdegang und meiner Berufserfahrung sagen, dabei auf Kundenreferenzen verweisen, dann Ertragskurven der letzten Jahre zeigen, die Anlageexperten und Analysten des Unternehmens vorstellen, Strategien im Bereich der Steuerzahlungen andeuten und am Ende die Trumpfkarte ziehen, dass wir bei Kauffman & Jacobs unsere Steuerberater direkt vom Finanzamt abgeworben haben. Mit gestochen scharfer Rhetorik würde ich erklären, warum der Kunde mir sein Vermögen anvertrauen könne, oder besser gesagt, dem Unternehmen, für das ich tätig war. New Business war eine meiner Stärken. Ich wusste genau, wie man einen skeptischen Klienten überzeugen konnte und am Ende eine Unterschrift auf den fein säuberlich vorbereiteten Verträgen bekam. Gerade dabei begingen die meisten meiner Kollegen ihre größten Fehler. Sie waren der Ansicht, man könne mit Druck arbeiten und die Leute drängen, doch hier ging es reinweg um Psychologie, um Vertrauen. Und das erreicht man nicht nur mit Zahlen und Berechnungen. Genau das betonte ich immer, wenn ich Vorträge zu diesem Thema hielt.
Das Gespräch mit Mikael saß mir noch im Nacken, auch wenn ich alles tat, um den Gedanken daran abzustreifen. Die Diskussion über seine Stelle verfolgte uns, seit wir uns kennengelernt hatten. Im Gegensatz zu meinem Job war sein Arbeitsplatz immer mit
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