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Der Himmel ueber Dem Boesen

Der Himmel ueber Dem Boesen

Titel: Der Himmel ueber Dem Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Neutralisierer
    Einen Augenblick später fühlte sich Merrily schon wieder ruhiger. Als sie den Bagger in der Auffahrt entdeckt hatte, war es, als wäre ein Traum plötzlich zum Albtraum geworden, als hätte sie ihr Unbewusstes ganz unerwartet mit einem innerhalb der Logik des Traums dermaßen bedrohlichen Bild konfrontiert, dass sie aus Selbstschutz ruckartig aufgewacht war. Und dann dachte sie, von ihrer eigenen Reaktion erstaunt:
Meine Güte, das ist doch nur ein Bagger.
    «Gomer», sagte sie, «wir sollten   … wir sollten mal kurz nachdenken.»
    Aber Gomer war schon weg – genauso hatte er zuvor an der Brandstelle reagiert, als ihm klargeworden war, welche grausame Wahrheit sich hinter Cliff Morgans Fragen zu Nevs Aufenthaltsort verbarg. Nur, dass er jetzt ein wirkliches Ziel hatte; er war ein Mann, der etwas zu beweisen hatte, etwas, das jetzt in greifbare Nähe gerückt war. Bevor sie auch nur darüber nachdenken konnte, ihn aufzuhalten, war Gomer schon auf der Auffahrt, drückte die Sträucher zurück und quetschte sich seitlich an dem Bagger vorbei bis an die große Schaufel.
    Weiter kam er zunächst nicht, denn da fing der Albtraum erst richtig an.
    Merrily musste es zuerst gesehen haben – eine Bewegung in der Schwärze zwischen Haus und Auffahrt. Sie fuhr zusammen, aber sie schrie nicht, denn es hätte auch eine Katze oder eine Eule sein können. Aber dann sah sie Gomer zurückprallen und an der Seite des Baggers entlangtaumeln, die Büsche rissen an seiner Jacke.
    «Gomer!» Er fiel gegen einen Torpfosten. Sie stürzte zu ihm. Er stand noch, aber sein Atem ging keuchend. «Gomer, um Gottes willen, sind Sie –?»
    Und dann hallte da die Stimme eines anderen Mannes aus der Dunkelheit.
    «War das deutlich genug, Kollege? Sonst kommen Sie rüber und fassen meinen Bagger nochmal an.»
    Merrily griff nach Gomers Arm, um ihn zu stützen. «Hat er Sie geschlagen?»
    «Gestoßen, mehr nicht. Hat mich ganz schön überrumpelt, was? Sehen Sie   … sehen Sie meine Brille irgendwo, Frau Pfarrer? Müsste hier irgendwo sein.»
    Merrily ging in die Hocke, ihre Finger tasteten über den Kies, doch ihr Blick war die ganze Zeit auf den schmalen Spalt zwischen dem Bagger und den Büschen gerichtet, der durch Gomers taumelnden Körper breiter geworden war. Sie merkte, dass sie die Augen zusammenkniff, in der Erwartung eines grellen Lichtstrahls, doch es blitzte keiner auf. Sie erkannte in der Dunkelheit den unregelmäßigen Dachfirst und einen weißen Punkt, ein Flugzeug, das sich zwischen den Wolken bewegte.
    Sie wollte ihre Taschenlampe anknipsen, tat es dann aber nicht, weil   …
    Weil, oh Gott, weil sie die Taschenlampe vielleicht lieber als Waffe einsetzen sollte. Sie umklammerte die Lampe fester, während sie mit der anderen Hand weiter im Kies herumtastete, und versuchte klar zu denken, eine vernünftige Erklärung zu finden, die etwas anderes ergab als die Bestätigung von Gomers verrückter Theorie über Roddy Lodge.
    Bei allen anderen Erklärungen spielte der Zufall eine Rolle. Eine zu große Rolle.
    Sie ertastete etwas Glattes und einen Drahtbügel und sah im selben Moment einen Mann am Ende der Auffahrt stehen, das Mondlicht schimmerte auf seiner Jacke: Leder. Er stand unbeweglich da. Schließlich rief er:
    «Was machen Sie da?»
    Merrily stand auf und drückte Gomer seine Brille in die Hand.
    «So, das war’s. Jetzt gehen wir. Wir haben den Bagger gesehen, wir wissen, dass er hier ist. Gehen wir.»
    «Das können wir nich machen, Frau Pfarrer.» Gomer setzte in aller Ruhe seine Brille auf. «Wir können jetzt nich einfach weggehen.»
    «Wir können die Polizei rufen.»
    «Nich gut. Die glauben uns sowieso nich. Und bis die hier sind, ist er lange weg, wenn die überhaupt kommen. Wir haben diesen Kerl hier erwischt, und jetzt   … gibt es zwei Zeugen.»
    «Gomer   –»
    «Sie wolln sich also drücken?», fragte der andere Mann ohne eine Spur von Angst in der Stimme, allerdings sprach er schnell. «Feige, was?»
    Merrily flüsterte: «Lassen Sie ihn reden, Gomer. Wir gehen einfach zurück zum Wagen. Sie haben recht, wir sind Zeugen, das reicht. Ich verspreche Ihnen, Gomer, ich werde Sie bei allem unterstützen, aber jetzt müssen wir   –»
    Gomer richtete sich auf und brüllte: «Willst du wissen, wer ich bin?»
    «Nein!»
Merrily zerrte an seinem Arm. Gomer bewegte sich nicht, schien so fest in der Erde verankert zu sein wie der Torpfosten. Sie ließ ihn mit einem Geräusch los, das, wie sie

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