Der Himmel über der Heide (German Edition)
kannst du die Wohnung behalten. Meine Sachen hole ich ab, sobald ich was Neues gefunden habe.»
Mit traurigem Blick sah Simon sie an. Er wirkte von der Situation überfordert.
«Wenn ich meinen Kram hole», fügte sie schnell hinzu, «schicke ich vorher eine SMS. Ich hoffe, dann ist niemand hier. Auch du nicht.»
Dann drehte sie sich um und eilte die Treppe hinunter, ohne sich noch einmal umzudrehen.
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21
«Verdammt noch mal!»
Kati schleuderte den Pinsel in die Ecke. Das Glas mit Wasser, das sie zum Verwischen ihrer Aquarellfarben gebraucht hatte, war umgekippt und hatte sich über die gesamte Arbeitsfläche ergossen. Die komplette Werkbank war eingesaut, sodass sie eilig mit einem Lappen versuchte, den Schaden einzudämmen und die Utensilien auf der ohnehin viel zu kleinen Ablagefläche abzutrocknen.
«Das geht ja gut los», zischte sie genervt.
Da hatte sie den Nachmittag nutzen wollen, um nach all den Jahren endlich einmal wieder zu malen. Und schon wurde sie durch dieses dämliche Missgeschick in ihren Zweifeln bestätigt.
«Alles in Ordnung?», fragte plötzlich eine männliche Stimme hinter ihr.
Erschrocken drehte sich Kati um.
An der Tür des Schuppens stand Andi Witthöft und sah sie fragend an. Sie hatte die Tür offen gelassen, damit mehr Tageslicht ins Innere gelangte.
Sofort spürte sie einen Stich in der Brust. Ausgerechnet Andi musste sie hier entdecken und mitbekommen, wie sie vor sich hin schimpfte.
«Ja … alles okay», antwortete Kati und presste ihre Lippen zusammen.
Andi nickte und stellte eine große Mappe auf dem Boden ab. Ausgerechnet seit dieser Woche, ihrer ersten in der Heimat, kam er nun schon regelmäßig auf den Heidehof. Meist sprach er dann mit Dorothee über den geplanten Umbau und hielt sich ansonsten zusammen mit seinem Hund Bobby in der Scheune mit dem Holz auf.
Nachdem Andi seine Unterlagen an die Wand gelehnt hatte, trat er zu ihr und betrachtete neugierig die Leinwand, auf die Kati eben eine rötliche Grundierung aufgetragen hatte.
Kati versuchte, ihn zu ignorieren, verschränkte die Arme vor der Brust und hoffte, dass er ihre abweisende Körpersprache verstand. Er sollte sie in Ruhe lassen.
Genau das war es, was Kati wollte – und nicht, dass sich alle Welt in ihre privaten Angelegenheiten einmischte und gleich jeder Versuch, die Malerei wieder aufzunehmen, beobachtet würde.
Im Raum herrschte eine peinliche Stille. Bis Andi sich räusperte und sagte: «Das letzte Mal war ich mit Juliane hier.»
Dieser Satz traf Kati wie ein Schlag. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er so unvermittelt von ihrer Schwester sprechen würde.
«Ich hab sie damals stundenlang gesucht, weil sie bockig war und weggelaufen ist … So wie sie es eigentlich immer gemacht hat, wenn wir uns gestritten haben.»
Kati sah ihn entgeistert an. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
Andi deutete in die linke Ecke des Schuppens, wo früher einmal das Winterquartier für die Kaninchen gestanden hatte. «Sie saß da drüben und hat mich ausgelacht. Einfach so.»
Das reichte. Sie hatte genug gehört.
Kati warf das nasse Tuch auf die Werkbank und baute sich wutschnaubend vor Andi auf.
«Was soll das? Wieso kramst du diese alte Geschichte hervor?», fragte sie ungehalten.
«Vielleicht … damit du mir glaubst, dass ich nichts von damals vergessen habe.»
Ihre Blicke trafen sich.
«Ich bin nicht der Typ, der nur verdrängt und sein Glück auf Kosten anderer macht, Kati.»
«Ach ja?», entfuhr es Kati. Ihr Atem ging heftig.
«Ja. Wir sollten vielleicht mal in Ruhe über alles reden», schlug Andi vor. «Die Dinge liegen nämlich vielleicht anders, als du denkst.»
Kati konnte es nicht fassen. Wie konnte dieser Kerl nur so verdammt direkt sein und den Finger genau in die Wunde legen? Als hätte er sich nie etwas zuschulden kommen lassen!
«Ich weiß ganz genau, wie die Dinge liegen», zischte sie, «und jetzt lass mich bitte wieder in Ruhe malen.»
«Meinst du nicht, du solltest dir einen besseren Platz dafür suchen? Mit mehr Licht?», fragte Andi und deutete dabei mit dem Kopf auf die Werkbank.
Kati unterdrückte einen Fluch. Er ließ einfach nicht locker! Am liebsten wäre sie jetzt weggelaufen, so wie Jule damals …
«Lass das mal meine Sorge sein!» Und da er keine Anstalten machte zu gehen, fügte sie noch hinzu: «Wolltest du nicht schon längst fertig sein mit den Holzbalken?»
Eine Überprüfung der Baumstämme hatte ergeben, dass es sich um
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