Der Himmel über der Heide (German Edition)
wieder in normaler Kleidung auf einem Stuhl sitzend statt im Bett zu sehen. Obwohl er einiges an Gewicht verloren hatte, sah Hinrich erstaunlich gut aus.
Endlich galt er nicht mehr als Intensivpatient und konnte das Krankenhaus sogar bereits für kleine Spaziergänge verlassen.
Kati nickte dem Bettnachbarn freundlich zu und legte die gutverpackten Tortenstücke auf den Tisch.
Sofort machte Hinrich sich daran, die Alufolie zu lösen und die beiden Stücke zu begutachten.
«Ich habe heute etwas Wichtiges mit dir zu besprechen», erklärte er.
«Ich auch mit dir», erwiderte Kati überrascht.
Unwillkürlich blickten beide zu dem sehr viel älteren Zimmergenossen, der im Bett auf der anderen Seite des Fensters lag. Der Mann unternahm gar nicht erst den Versuch, so zu tun, als würde er über ihre Unterhaltung hinweghören. Im Gegenteil, Kati hatte den Eindruck, dass er sie aufmerksam belauschte. Vermutlich versprach er sich davon mehr Unterhaltung als von dem sonntäglichen Fernsehprogramm.
«Wenn du einverstanden bist, schnappen wir nachher ein bisschen frische Luft», schlug Hinrich vor.
Kati nickte. «Gern, aber jetzt besorg ich uns erst mal Teller und Besteck.»
***
Als Kati und ihr Vater eine halbe Stunde später nach draußen traten, atmete Hinrich tief durch. Er hatte sich bei Kati untergehakt und schlug vor, eine Runde um den Gebäudekomplex zu machen.
«Also, schieß los. Was hast du ausgefressen?», forderte er sie unvermittelt zum Reden auf.
Kati holte tief Luft. «Also, ich … Nun, du weißt vielleicht schon, dass meine Agentur seit einiger Zeit deutlich weniger Aufträge bekommen hat. Und …» Kati hielt inne und sah ihren Vater mit betretenem Gesicht an. «Um es kurz zu machen: Mein Chef hat mir gekündigt. Aber er hat mir angeboten, als freie Mitarbeiterin weiter für ihn zu arbeiten.»
Hinrich blieb stehen und sah Kati durchdringend an. «Dorothee hat mir bereits gesagt, was passiert ist. Und dass du erst mal auf dem Heidehof wohnen wirst …»
Kati seufzte. Doch ehe sie sich über ihre Stiefmutter ärgern konnte, sprach Hinrich weiter: «Und ich finde das großartig!»
Kati runzelte die Stirn. Damit hatte sie nicht gerechnet.
Mit dem Kopf deutete Hinrich auf eine Parkbank, wo sie sich in die Sonne setzen konnten.
«Dorothee hat mir auch von deinem tollen Einsatz auf dem Hof erzählt und davon, dass du deine Erfahrung einbringst. Die Internetseite des Hofs neu zu gestalten, halte ich für eine sehr gute Idee. Alles sollte etwas moderner werden.» Er schloss die Augen und redete wie zu sich selbst weiter. «Außerdem ist es gut, wenn du dich weiter mit dem Hof vertraut machst. Irgendwann, wenn ich nicht mehr bin, wirst du ihn erben und dann –»
«Sag so was nicht, Paps.» Kati war es unangenehm, über dieses Thema zu sprechen.
«Nein, Katharina, hör mir zu! Ich wollte dir nämlich auch etwas Wichtiges sagen.» Er öffnete wieder die Augen und sah sie ernst an. «Mir ist durch meine Krankheit bewusst geworden, wie schnell alles vorbei sein kann. Und ich habe mir in den letzten Wochen sehr viele Gedanken gemacht.»
Er machte eine längere Pause, als suche er nach den richtigen Worten.
«Mein Mädchen», fuhr er schließlich fort, «was hältst du davon, wenn ich dir den Hof überschreibe?»
Kati glaubte, sich verhört zu haben. Ihr Mund stand offen, ohne dass sie irgendetwas hervorbringen konnte.
Ihr Vater wandte sich ihr zu. «Uhlendorf ist deine Heimat, der Heidehof dein Zuhause. Du hast damals alles gelernt, was du wissen musst, um den Betrieb zu führen.»
«Aber seitdem ist viel passiert. Ich … Ich kann das doch gar nicht! Außerdem … Du kannst doch nicht einfach in Rente gehen!»
Vor Katis innerem Auge lief ein Film ab, in dem sie ihren stets so tatkräftigen und lebenslustigen Vater als traurigen Mann vergreisen sah.
Doch Hinrich lachte und sah sie liebevoll an. «Ich würde dich natürlich weiter unterstützen. Wir alle. Dorothee bei den Büroarbeiten und ich in der Küche. Aber wir würden uns nach und nach aus dem Tagesgeschäft zurückziehen. Elli wird auch nicht jünger. Wie gesagt, eines Tages erbst du den Hof ohnehin. Da könntest du also schon mal üben, wie es ist, mehr Verantwortung zu übernehmen.»
«Aber ich kann doch auch so auf dem Hof mitarbeiten, wenn du wieder da bist.»
«Nein, nein, für dich ist es jetzt wichtig, eine vernünftige Perspektive zu haben. Außerdem besteht Dorothee darauf, dass ich in Zukunft deutlich kürzer trete. Und im
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