Der Himmel über der Heide (German Edition)
durchgearbeitet hatten, war nun die erste Etappe der Umbaumaßnahmen so gut wie geschafft. Zum Abschluss der ersten Umbauphase, die unter anderem den Ausbau des Treppenspeichers umfasste, wollten sie diesen «Meilenstein» kräftig begießen. Dorothee spendierte eine Flasche Sekt, und später holte Elli auch noch eine Flasche Eierlikör hervor.
«Morgen können ja alle ausnahmsweise einmal ausschlafen», erklärte sie und spielte damit auf die Tatsache an, dass keine Übernachtungsgäste mehr da waren und damit auch kein Frühstücksbuffet vorbereitet werden musste.
Im Laufe des Abends musste Kati mehrfach an ihren Vater denken. Hinrich hatte das Ende der Saison stets mit einem Festessen für die Familie und die Angestellten gewürdigt. Und die Stimmung war an jenen Abenden meist deutlich gelöster gewesen als heute. Hinrichs sprühender Witz und seine ansteckende gute Laune fehlten einfach in der zusammengewürfelten Runde.
Erst an Weihnachten würde er wieder bei ihnen in der Heide sein. Kati freute sich schon darauf. Und auch wenn es das erste Weihnachtsfest ohne Simon sein würde, so hatte sie doch bei dem Gedanken an die verschneite Heide und das knisternde Feuer im Kamin ein wohliges Gefühl im Bauch. Vor ihrem geistigen Auge sah sie all ihre Lieben an einer großen, festlich gedeckten Tafel in der neudekorierten Gaststube versammelt. Wie jedes Jahr würden sie Weihnachten bereits am 23. Dezember nachmittags mit einem traditionellen Festtagsbraten feiern. Es war der einzige Tag, an dem sie einigermaßen in Ruhe zusammensitzen und ein paar entspannte Stunden genießen konnten. Denn zu den Feiertagen kamen regelmäßig Stammgäste in den Heidehof, und die hatten absoluten Vorrang.
Ob die Reservierungen für das große Gänseessen am 24. Dezember auch in diesem Jahr wohl genauso zahlreich wären wie sonst? Kati war unsicher, denn schließlich hatte sich längst überall in der Gemeinde herumgesprochen, dass der Chef bis auf weiteres nicht selbst am Herd stand.
Kati wollte ihrem Vater die Rückkehr so einfach wie möglich machen. Und wenn er nach der wochenlangen Kur endlich wieder nach Hause kommen würde, wollte sie ihm etwas ganz Besonderes schenken. Vielleicht, so hatte sie anfangs gedacht, könnte sie ihm ein Bild malen. Bestimmt würde er sich allein schon über die Tatsache freuen, dass seine Tochter wieder ihr altes Hobby aufnahm. Aber je länger Kati an den Möbeln arbeitete, desto erfüllender wurde diese Aufgabe für sie. Sie wollte den Schätzen des Heidehofs neues Leben einhauchen, allen voran dem alten Sekretär ihres Vaters.
Vielleicht war es ja möglich, das fehlende Glas zu ersetzen, dachte Kati. Auch das Holz müsste sie von den Aufklebern befreien können und mit entsprechender Politur und einem schönen Holzlack aufarbeiten können. Sie würde Andi um Rat fragen. Er würde sicher wissen, wie mit dem alten Holz zu verfahren sei. Pünktlich zu Hinrichs Rückkehr sollte der Sekretär dann wieder in neuem Glanz erstrahlen.
***
Am nächsten Morgen wollte Kati sich bereits in aller Frühe an die Innengestaltung der neuen Zimmer machen. Es hatte in der Nacht gestürmt, und der Regen ließ immer noch nicht nach.
Sie schnappte sich ihre Jacke, warf sie über und eilte durch den unangenehm kalten Regen zum Treppenspeicher.
Es galt Wandfarben oder Tapeten sowie Gardinen, Lampen und Bilder für die neue Wohnung dort auszuwählen und dafür zunächst die freien, nicht mit Holz vertäfelten Wände auszumessen.
Als sie die ersten Stufen der erneuerten Treppe erklommen hatte, bemerkte sie, dass die Tür zum Speicher geöffnet war.
Hoffentlich hat sie nicht die ganze Nacht über offen gestanden, dachte Kati. Bei dem Regen wäre der neuverlegte Boden sicherlich feucht geworden.
Sie wollte gerade eintreten, als die Tür von innen mit einem Ruck zugeworfen wurde und ihr beinahe an die Stirn geschlagen wäre.
«He!», rief Kati.
Drinnen bellte ein Hund. Gleich darauf wurde die Tür wieder aufgerissen, und ein überraschter Andi starrte sie an. Offenbar hatte er sie nicht kommen hören und an diesem Sonntagvormittag auch sonst mit niemandem auf der Baustelle gerechnet.
«Scheiße!», rief er. «Habe ich dich erwischt?»
«Nein.» Kati befühlte ihre Stirn. «Was machst du überhaupt hier?»
Andi trat zur Seite, drängte Bobby zurück in den Raum und deutete auf die Fußleisten. «Die wollte ich gerade festnageln.»
«Ich dachte, du gönnst dir endlich mal einen freien Tag», sagte Kati und sah
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