Der Himmel über der Heide (German Edition)
Tage dauern», fuhr er fort, «bis wir weitere Komplikationen ausschließen können.»
Kati schluckte. Sie hatte gar nicht damit gerechnet, dass sich die Situation noch wieder verschlechtern könnte.
Auch Elli schien überrascht. «Was für Komplikationen können das denn sein?»
An dem Gesichtsausdruck des Arztes konnte Kati ablesen, dass er sich schwertat, eine verbindliche Auskunft zu geben. Also setzte sie schnell nach: «Er wird doch wenigstens bald von der Intensivstation kommen?»
«Auch das wird noch einige Tage dauern», erklärte Dr. Heintze. «So leid es mir tut. Im schlimmsten Fall müssen wir den Patienten erneut in ein künstliches Koma versetzen. Durch die auslaufende Magensäure oder bedingt durch den Durchbruch des Geschwürs könnte es zu einer Bauchfellentzündung kommen. Es dauert sicher noch ein, zwei Wochen, bis wir völlige Entwarnung geben können.» Er musterte sie mitfühlend und ergänzte: «Aber das muss natürlich nicht eintreten.»
«Und wie geht es dann weiter?», hakte Kati nach. «Wann können wir ihn nach Hause holen?»
«Er wird sicher noch eine Weile in stationärer Behandlung bleiben. Danach sind ein, zwei Monate Schonung das mindeste, was Herr Weidemann beherzigen sollte. Am besten wäre dann eine Rehabilitationsmaßnahme. In einer entsprechenden Einrichtung würde er nicht nur wieder zu Kräften kommen, er würde auch lernen, wie er mit seinem geschädigten Magen umgehen muss. Denn eine Zeitlang wird er sicherlich Diät halten müssen.»
Unmissverständlich gab Dr. Heintze zu verstehen, dass er nun nicht länger bei ihnen bleiben konnte. «Sie sollten nach Hause fahren und sich ausruhen. Wir informieren Sie, sobald es einen neuen Stand gibt.»
Elli und Kati bedankten sich für die Auskünfte und verabschiedeten sich. Schweigend gingen sie zum Aufzug.
Als sie draußen auf dem Parkplatz am Auto ankamen, fasste Elli ihre Enkelin am Arm und sah ihr fest in die Augen. «So, Liebes, du hast es gehört: Wir können im Moment nichts für Hinrich tun. Jetzt ab mit dir nach Hamburg! Deinem Vater wird es sicher bald wieder besser gehen. Er ist doch ein Kämpfer.»
Kati seufzte und nickte stumm. Eigentlich war alles gesagt, und doch gab es noch so viele offene Fragen und quälende Ungewissheiten. Würde ihr Vater wieder ganz gesund werden? Wann würde er das Krankenhaus verlassen können? Wie würde ihn die Krankheit verändern? Wie würden Elli und Dorothee damit klarkommen? Was würde aus dem Heidehof werden?
Auf einmal fühlte sie sich wie das kleine Mädchen von damals, das sich einfach nur wünschte, auf dem Schoß des Vaters zu sitzen und mit ihm herumzualbern und zu lachen.
Offenbar ahnte Elli, was in ihr vorging. Mitfühlend sagte sie: «Vielleicht solltest du mit Simon am Wochenende etwas Schönes unternehmen, um auf andere Gedanken zu kommen.»
Kati schüttelte entschieden den Kopf. «Spätestens morgen bin ich wieder da. Ich bringe dich jetzt zurück und fahre dann nach Hamburg.»
Sie schloss das Auto auf und half ihrer Großmutter beim Einsteigen.
«Vielleicht kann ich sogar heute noch mit meinem Chef reden und klären, wie es nächste Woche weitergeht. Ich lasse dich doch jetzt nicht hängen. Irgendwer muss schließlich auf dich aufpassen», sagte Kati mit einem Lächeln. Bevor sie die Beifahrertür zudrückte, fügte sie noch hinzu: «Und auf Dorothee …»
***
Nachdem Kati ihre Großmutter in Uhlendorf abgesetzt hatte, machte sie sich auf den Weg nach Hamburg. Sie hoffte, vor dem Elbtunnel nicht in einen Stau zu geraten. Doch schon nach einer Dreiviertelstunde kam sie in Altona an und fand ausnahmsweise auf Anhieb einen Parkplatz, fast direkt vor ihrer Haustür.
Die Altbauwohnung im dritten Stock hatte dreieinhalb Zimmer, eine Kochnische und – jedenfalls für Kati das Wichtigste – ein Badezimmer mit Badewanne. Für diesen Luxus nahm sie gerne die knarrenden Dielen und die altmodischen Doppelfenster in Kauf. Das wöchentliche Baden gehörte zu den Höhepunkten in ihrem oft eintönigen Alltag. Vor allem, wenn Simon wieder einmal in der Weltgeschichte unterwegs war.
Als Kati unter die Dusche sprang, war es erst 11 Uhr. Sie hatte beschlossen, gleich noch in die Agentur zu gehen, um den eiligen Auftrag für die Metromedia, dem derzeit wichtigsten Kunden, abzuschließen. Die Ablenkung würde ihr sicher guttun. Außerdem hoffte sie, Gero in einem guten Moment abzupassen.
Sie zog sich frische Sachen an und machte sich auf den Weg zur Agentur. Unterwegs
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