Der Himmel über der Heide (German Edition)
Hauptdarsteller einer seichten TV-Serie hätte durchgehen können. Im Fernsehen hätte er sicher eine große weibliche Fangemeinde. Aber sie ließ sich nicht beirren.
Wenn er sein blondes Haar etwas weniger korrekt geschnitten und etwas weniger gestylt tragen würde, wäre sie womöglich auch auf seinen Charme hereingefallen. Doch stattdessen zeigte sie sich unbeeindruckt von seiner zweideutigen Anspielung.
Mit einem Ruck zog sie die Vorhänge zu, um deutlich zu signalisieren, dass es hier nichts mehr zu sehen gab.
Dann ging sie zurück in den Flur und forderte Lehmann auf, ihr zu folgen. Sie wollte ihm als Nächstes die restlichen Gasträume sowie den Wohntrakt zeigen.
Als sie an den Bildern vorbeikamen, die Kati gemalt hatte, blieb er abrupt stehen.
«Die gefallen mir», erklärte er und betrachtete die Werke ausgiebiger. «Kennen Sie den Künstler? Oder die Künstlerin?»
Das irgendwie schelmische Grinsen in seinem Gesicht verunsicherte Kati, und schon wieder wusste sie nicht, ob er sie an der Nase herumführte oder ob die Frage ernst gemeint war.
«Äh … flüchtig», entgegnete Kati knapp und ging schnurstracks weiter.
Um die Gäste im Restaurantbereich nicht zu stören, schlug Kati Herrn Lehmann als Nächstes einen Rundgang über das Gelände vor.
Sie spulte die Erläuterungen zu den einzelnen Bauten so sachlich und präzise wie möglich herunter und erklärte kurz alles Wissenswerte zu dem reetgedeckten Fachwerk und zu den Eigenarten eines typischen Niedersachsenhauses. Vor allem schmückte sie den großen Brand vom Ende des 19. Jahrhunderts aus. Sie zeigte Lehmann auch den relativ neuen Steinbau, der inzwischen aber nur noch als Garage und Lagerschuppen benutzt wurde. Dann kamen sie zu dem Backhäuschen, und Kati berichtete von der Backtradition auf dem Heidehof.
Immer wieder unterbrach Lehmann ihre Erklärungen, um zu sagen, wie interessant er alles fand, und um weitere Fotos zu machen. Freundlich fragte er hier und da konkreter nach, und Kati wusste nicht recht, ob er nur höflich sein wollte oder ob sein Interesse echt war. Sie hatte das seltsame Gefühl, dass er sie dadurch geschickt aushorchte. Und ihr war unwohl, weil sie den Eindruck hatte, das ein oder andere Mal ins Visier seiner Kamera geraten zu sein.
Demonstrativ trat sie zur Seite und räusperte sich. «Leider wird der hofeigene Ofen heute nicht mehr benutzt.»
«Wie schade, das sollte man ändern», fand Lehmann.
«Eine schöne Idee, aber leider –»
Kati unterbrach sich, als plötzlich Lehmanns Handy klingelte.
Er holte sein Telefon aus der Innentasche seines Jacketts hervor und sah aufs Display. «Bitte verzeihen Sie, es dauert nur einen kleinen Moment!»
«Bitte», antwortete Kati trocken und ärgerte sich schon im nächsten Moment über ihr eigenes Verhalten. Denn im Grunde hatte dieser Mann ihr rein gar nichts getan.
Diskret ging Lehmann ein paar Schritte zur Seite und sprach über Anlageformen und Zahlen in unglaublicher Höhe. Kati hoffte, dass es keine Geldbeträge waren. Bei der Vorstellung, jemand könne es täglich mit solchen Summen zu tun haben, wurde ihr schwindelig. Aber Lehmann hatte eine angenehme Stimme, das musste sie sich eingestehen.
Schließlich beendete er das Telefonat, steckte sein Handy weg und sah sich nach ihr um.
«Wissen Sie, was mich am meisten an diesem schönen, alten Hof beeindruckt?», fragte er unumwunden.
Kati sah ihn fragend an.
«Diese unbeschreiblich ruhige und entspannte Atmosphäre, die hier herrscht.» Mit seinem Arm machte er eine ausschweifende Bewegung. «Auch auf die Gefahr hin, dass es pathetisch oder lächerlich klingt, ich finde, dieser Ort hat etwas …»
«Magisches?», ergänzte Kati, ohne groß nachzudenken.
Auf Lehmanns Gesicht machte sich ein warmes, herzliches Lächeln breit. «Sie sagen es. Genau das meine ich! Wir sind offensichtlich seelenverwandt.»
Kati blickte ihn irritiert an.
Lehmann musste ihre Verunsicherung bemerkt haben, denn er lachte und erklärte: «Wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen: Immer wenn Sie mich so irritiert ansehen, zeigt sich auf Ihrem hübschen Gesicht diese sympathische kleine Falte.»
Er deutete mit seiner Hand auf seine Nasenwurzel und lächelte sie weiter unverhohlen an.
Kati wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte, und ärgerte sich insgeheim, weil sie spürte, dass sie rot wurde.
«Gehen wir weiter?», fragte sie knapp.
«Gern.» Kurzerhand wechselte Lehmann das Thema und schilderte, worin genau seine Arbeit
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