Der Himmel über der Heide (German Edition)
beiden hinterher, wie sie zum Parkplatz gingen. Sie würde heute noch ein ernstes Wörtchen mit Dorothee reden müssen.
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Obwohl Dorothee erzählt hatte, dass die Ärzte sehr zufrieden mit Hinrichs Zustand waren und es ihrem Vater von Tag zu Tag besser ging, war Kati im Moment alles zu viel. Und jetzt hatte ihre Stiefmutter sie auch noch zur Reiseleiterin für diesen Frank Lehmann auserkoren! Auf ihren Vorwurf, sie mit dem Kerl ja geradezu verkuppeln zu wollen, war Dorothee gar nicht weiter eingegangen. Wo denn eigentlich ihr Freund Simon sei, hatte sie stattdessen gefragt und damit voll in Katis Wunde gestochen.
Um den Kopf frei zu bekommen, beschloss Kati vor dem Abendessensdienst noch einen kleinen Ausflug zu unternehmen. Sie wollte allein sein und sich etwas ablenken.
Ohne bestimmtes Ziel fuhr sie mit Ellis Fahrrad Richtung Bispingen. Doch leider verschaffte ihr das Strampeln zunächst nicht die erhoffte Pause von ihren rotierenden Gedanken. Vor allem Simon ging ihr nicht aus dem Kopf, dabei konnte sie sich im Moment nicht vorstellen, es noch einmal mit ihm zu versuchen.
Keine Frage, Kati vermisste ihn schrecklich. Seinen Duft, das Gefühl, nachts geborgen an seiner Seite zu liegen. Aber wenn sie ehrlich war, war ihre Liebe nicht erst in diesem erschütternden Moment am Flughafen verlorengegangen. Nein, im Grunde war das Vertrauen nie wirklich gewachsen – das Vertrauen einer gereiften Beziehung, in der auch Katis Bedürfnis nach Sicherheit und Beständigkeit ernst genommen wurde. Letztlich hatte sie schon lange das Gefühl gehabt, dass Simon dafür viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt war.
Als Kati in den Ortskern kam, fiel ihr Blick auf das «Kaffeestübchen», in dem sie in ihrer Abi-Zeit jede freie Minute verbracht hatte. Fast täglich hatte sie damals mit Jule und ihren besten Freundinnen dort gesessen, um Kaffee zu trinken und Pläne für die Zeit nach der Schule zu schmieden.
Kati machte spontan halt und stellte ihr Fahrrad ab. Glücklicherweise sah das Lokal nicht mehr ganz so heruntergekommen aus wie damals, als sie es liebevoll «Schabracke» nannten. Der Name «Kaffeestübchen» war zwar immer noch der gleiche, wie eine Holztafel über der Tür verriet. Doch der gesamte Eingangsbereich war mittlerweile zu einer großzügigen, modernen Teakholzterrasse umgestaltet worden. Weil Kati draußen keinen freien Platz mehr ergattern konnte, ging sie nach drinnen und setzte sich an einen der kleinen Tische am Fenster.
Wie lange war sie schon nicht mehr hier gewesen! Neugierig sah sie sich um.
Auch der gesamte Barbereich war umfassend renoviert worden. Keine Spur mehr von den alten Sitzecken und verkratzten Tischen. Dafür gab es jetzt kleine Bistrotischchen auf einem schön verlegten Holzfußboden. Und wenn es stimmte, was auf der großen Tafel über der Theke angepriesen wurde, so gehörte mittlerweile sogar ein umfassendes Frühstücksangebot zum Service.
Plötzlich tauchte ein großer Hund auf. Kati erschrak. Sie wusste nicht recht, um was für eine Rasse es sich bei dem strubbeligen Vierbeiner handelte. Sein Fell war kakaofarben und ziemlich lang. Aber er schaute sie aus freundlichen Augen an, schnupperte kurz und legte sich dann brav hinter die Theke. Kati konnte ihn gerade noch mit dem Schwanz wedeln sehen und schlussfolgerte, dass der Hund dem aktuellen Betreiber gehören musste.
Am Nachbartisch saßen zwei junge Mädchen und tuschelten aufgeregt miteinander. Es waren Teenager, die sich mit ihrer Kleidung und ihrem Make-up deutlich älter machen wollten. Auf der anderen Seite saß ein älteres Pärchen.
Kati fühlte sich seltsam wohl in diesen vertrauten Räumen. Sie erkannte einige der Drucke wieder, die schon damals an den Wänden gehangen hatten. Sie stammten von verschiedenen Künstlern und hatten die unterschiedlichsten Größen.
Kati nahm die Karte zur Hand, die in einem Ständer auf dem Tisch stand, und blätterte sie neugierig durch. Zwar konnte die Auswahl nicht mit ihrem Lieblingscafé unweit der Elbe mithalten, dennoch war sie beeindruckt von der Wandlung, die das Angebot in zehn Jahren erfahren hatte.
Als sie sich für einen Latte macchiato entschieden hatte und den Kellner aus der Küche auf sich zukommen sah, stockte ihr der Atem. Es war Andi. Andreas Witthöft, der Mann, dem sie am liebsten nie wieder begegnet wäre.
Kati brachte keinen Ton heraus.
Auch Andi hatte sie mittlerweile erkannt. Er lächelte unsicher und fragte: «Na, hast du den
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