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Der Himmel über der Heide (German Edition)

Der Himmel über der Heide (German Edition)

Titel: Der Himmel über der Heide (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer
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Beinahe-Unfall neulich gut überstanden?»
    «Nein, das … das kann ich nicht sagen», erwiderte Kati und griff nach ihrer Tasche. Sie wollte das Lokal sofort wieder verlassen.
    «Also?», fragte Andi. «Was möchtest du bestellen?»
    Kati fühlte, wie sich vor Aufregung ihr Herzschlag beschleunigte. Vor genau dieser Situation hatte sie sich immer gefürchtet. Und sie ahnte, dass sie nicht wie zwei zivilisierte Menschen miteinander umgehen konnten. Andreas Witthöft hier zu treffen, damit hatte Kati ganz und gar nicht gerechnet.
    «Was … was machst du überhaupt hier?», stotterte sie.
    «Arbeiten?»
    Er sah sie aus traurigen Augen an. Dann fügte er erklärend hinzu: «Ich helfe hier schon seit längerem aus. Im Service und beim Einkauf. Jetzt zur Saison bin ich eigentlich jeden Tag hier. Ich brauche das Geld.»
    Kati nickte und schluckte die zynische Bemerkung hinunter, wonach er selber schuld war an seiner Lebenssituation. Sie musterte ihn mit ernstem Gesichtsausdruck und nahm unterschwellig wahr, dass er sich äußerlich nur wenig verändert hatte. Seine Gestalt war nach wie vor kräftig, und er wirkte sehr agil. Die dunklen Haare trug er jetzt etwas kürzer als früher, aber seine Kleidung war nach wie vor lässig und eher praktisch: Jeans und hellblaues Shirt.
    In der Schulzeit waren Kati und ihre Schwester sehr eng mit Andi befreundet gewesen, und eine Zeitlang waren die drei sogar unzertrennlich. Aber dann war alles zerbrochen.
    «Wie geht es deinem Vater?», fragte Andi unvermittelt und riss Kati damit aus ihren Gedanken. «Ich habe gehört, dass er im Krankenhaus liegt und …»
    Kati schüttelte langsam mit dem Kopf und hatte große Mühe, ruhig zu bleiben. Doch dann brach es plötzlich aus ihr heraus: «Du willst mir doch nicht erzählen, dass es dich wirklich interessiert, wie es ihm geht», zischte sie. «Damals hat es dich ja auch nicht interessiert, wie es meiner Familie geht. Dir war vollkommen egal, was du angerichtet hast.»
    Eigentlich hatte sie sich keine Blöße geben und derart offen ihre Gefühle zeigen wollen. Doch Kati trug die Wut auf diesen Mistkerl nun schon so viele Jahre in sich, dass offenbar ein kleiner Anlass genügte, damit sie Dampf abließ.
    «Das denkst du also von mir.» Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
    Statt eine Antwort zu geben, raffte Kati ihre Sachen zusammen und verließ mit schnellen Schritten das Café.
    Aufgewühlt machte sie sich auf den Rückweg nach Uhlendorf, dicht gefolgt von den Schatten der Vergangenheit. Einer Vergangenheit, vor der sie lange, lange geflohen war und die sie nun eingeholt hatte.
    Während Kati so schnell wie möglich in die Pedale trat und in Rekordzeit zurück nach Uhlendorf fuhr, tauchten immer wieder Bilder von Jule vor ihrem geistigen Auge auf. Wie oft sie gemeinsam diesen Weg gefahren waren! Morgens zur Schule und nachmittags wieder nach Hause. Zum Schwimmen nach Bispingen oder zu Tonis Eisdiele.
    Wie eine unsichtbare Macht erfüllte sie plötzlich die überwältigende Sehnsucht nach ihrer Schwester. Jule war immer ihre Seelenverwandte gewesen, mit der sie allen Ärger teilen konnte und die sie verstand.
    Und wenn Jule noch da wäre, dachte Kati, als sie das Rad ungesehen zurück in den Schuppen stellte, wäre bestimmt auch alles gut. Ihr Vater läge nicht im Krankenhaus, und auf dem Heidehof ginge alles seinen normalen Gang. Und falls es doch finanzielle Schwierigkeiten gäbe, würde Jule einen Plan aushecken, mit dem man Dorothee oder irgendwelchen geldgeilen Investoren einen Strich durch die Rechnung machen konnte.
    Mit hastigen Schritten schlich sie ins Haus und sprintete die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf. Sie wollte niemanden sehen, am liebsten unter ihre Decke kriechen und in einen langen, langen Dornröschenschlaf fallen.
    Irgendwie schien sich alles um sie herum verschworen zu haben. Vor drei Wochen war ihre Welt doch noch halbwegs in Ordnung gewesen! Aber nun brach alles auseinander. Und das erste Mal in ihrem Leben wusste Kati nicht mehr, was falsch und was richtig war.
    Als sie vor der Tür zu ihrem alten Kinderzimmer stand, zögerte sie und schaute über die Schulter auf die andere Seite des Flurs. Dort lag Jules Zimmer. Bei ihren Besuchen in den letzten Jahren hatte Kati es stets vermieden, diesen Raum zu betreten. Seit zehn Jahren war sie nicht mehr dort drin gewesen. Sollte sie vielleicht …?
    Katis Herz pochte, als sie mit zitternder Hand langsam die Türklinke nach unten drückte. Sie hatte das gleiche

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