Der Himmel über Garmisch (German Edition)
Rücken.
Hardy brummte unwillig und vergrub sein Gesicht im Kissen.
»Warum willst du das nicht?«, fragte sie.
»Ich hab nur ein kleines Zimmer mit einem schmalen Bett. Hier ist es viel schöner.«
»Warum leistest du dir nicht was Größeres?«
»Weil ich nicht weiß, wie lange ich hierbleibe.«
Ihre Hände wanderten zu seinen Schulterblättern. »Das ist auch so was«, sagte sie. »Dass ich immer Angst haben muss, dass du irgendwann einfach verschwindest.«
»Sorry, Liebes. Ich kann’s nicht ändern.«
»Du willst nicht.«
»Bitte … fang nicht so an.«
Schweigend massierte sie ihn weiter. Er schloss die Augen. Die Berührungen ihrer Hände schafften es tatsächlich, die Bilder zu vertreiben, die ihn die ganze Nacht vom Schlafen abgehalten hatten. Er atmete tief ein und aus, und es gelang ihm, die Anspannung zu vertreiben.
Als er aufschreckte, lag sie neben ihm und sah ihn an. Ihr Blick war traurig, aber sie lächelte. Er sah auf die Uhr. Fast eine ganze Stunde hatte er geschlafen.
»Wer ist Marie?«, fragte sie.
Er stemmte sich auf den Ellbogen und rieb sich die Augen. »Wie kommst du auf Marie?«
»Du hast nach ihr gerufen. Im Schlaf.«
Er ließ sich wieder auf die Matratze sinken. »Eine alte Freundin«, sagte er. »Sie ist tot.«
»Oh … das tut mir leid.«
»Sie ist vor drei Jahren gestorben. An Krebs.«
»War es schlimm?«
»Sehr.«
»Wart ihr … ein Paar?«
»Nein. Sie war die Frau eines Freundes. Sie war schön.«
»Hast du sie geliebt?«, fragte sie leise.
Er schloss die Augen. »Ja«, sagte er. »Jeder hat sie geliebt.«
»Hat sie dich auch geliebt?« Ihre Stimme war kaum zu verstehen, so leise war ihr Flüstern.
»Ja«, sagte er. »Ich glaube schon. Aber es ist nie etwas gewesen zwischen uns. Nie. Sie war die Frau eines Freundes.«
Ihre Hand strich über seinen Rücken, und er vergrub das Gesicht im Kissen. Er bemerkte nicht, dass sie weinte.
***
»Sie wollten so gegen vier am Mohrenplatz sein. Da kann man schön draußen sitzen.«
»Wenn wir bei dem Wetter da einen Platz kriegen«, brummte Schwemmer.
»Dann setzen wir uns halt hinein, mein Gott. Sei doch nicht so mäkelig.«
Sie kreuzten die Windschäufelnstraße und gingen weiter den Rießerseefußweg entlang.
»Die Menschheit teilt sich in zwei Hälften«, sagte Schwemmer. »Die eine versammelt sich gern in Gruppen, die andere versucht, das zu vermeiden. Ich gehör zur zweiten. Deshalb geh ich nicht gern dahin, wo grad alle hingehen.«
»Das ist mir klar, mein geliebter Mann. Du zählst dich gern zur Minderheit.«
»Falsch. Wir sind gar keine Minderheit. Wir fallen nur eben nicht so auf wie die anderen.«
Sie lachte. »Nun mach doch bitte mal eine Ausnahme. Für mich. Und für Karin.«
»Ja ja.« Schwemmer trottete neben ihr her. Sie erreichten die Fußgängerzone am Marienplatz. Es war bei Weitem nicht so viel los, wie Schwemmer befürchtet hatte. Das Wetter hatte die Touristen und Ausflügler wohl eher in die Seilbahnen als auf die Straßen getrieben. Es war ihm recht. Als sie den Biergarten am Mohrenplatz betraten, gab es genügend freie Plätze, aber weder Karin Zettel noch Théo waren zu sehen. Dafür entdeckte Schwemmer die Nase eines Streifenwagens, der hinter der Hausecke stand.
»Ich schau mal, ob sie drinnen sitzen«, sagte Burgl.
Er nickte nur und ging zur Hausecke. Der Streifenwagen war leer. Gerade hatte er sich einen schönen Tisch ausgesucht, als Burgl mit besorgter Miene aus dem Wirtshaus kam.
»Irgendwas ist passiert«, sagte sie. »Deine Kollegen reden mit einem Kellner. Er ist sehr aufgeregt.«
Schwemmer sah sich um und bemerkte eine seltsame Stimmung um sie herum. Die anderen Gäste wirkten bedrückt, niemand lachte, viele redeten leise miteinander, Köpfe wurden geschüttelt.
»Ich frag mal«, sagte Schwemmer und ging hinein.
Gäste waren nicht drinnen, aber an einem der Tische saßen Kommissarin Würzbach und der neue Kollege, Eckler. Die beiden sprachen mit einem der Kellner.
Schwemmer trat an den Tisch. »Servus, Kollegen«, sagte er. »Was ist denn los?«
Weder Würzbach noch Eckler schienen erfreut über sein Erscheinen.
»Kleinigkeit«, sagte Würzbach. »Nicht der Rede wert.«
»Nicht der Rede wert?« Der Kellner sprach laut. »Sie können den Mann doch nicht einfach aus seinem Rollstuhl zerren. Vor all unseren Gästen. Das sind Touristen. Ausländer! Was kriegen die denn für einen Eindruck?«
Eckler machte eine beschwichtigende Geste und wandte sich an Schwemmer.
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