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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Konjew rauchte hastig eine Papyrossi. Er kam sich wie vom Tode auferstanden vor und nahm sich vor, sein neues Leben am Abend mit einer Flasche Wodka zu feiern, und wenn Marussja zerplatzen würde. »Wie kann man nur inmitten der Ottern und Mücken leben.«
    »Sie sind friedlicher als der Mensch, Ilja.«
    »Auch sie fressen sich gegenseitig auf. Es ist überall das gleiche, Andreij.«
    »Das darfst du als guter Kommunist nicht sagen.«
    »Ich sage es auch nur dir.«
    Boborykin nickte schwer. »Ob unter Väterchen Zar oder Genosse Stalin … wir werden immer betrogen, Brüderchen.«
    »Das werden wir.« Konjew erhob sich und machte einige Gehversuche. Die Beine zitterten nicht mehr. »Leb wohl, Andreij. Und deine Rechnung … Tschetwergow, der Hund, soll sie selbst nachprüfen kommen.«
    »Das würde mich freuen. Ich würde ihn erst aus dem Sumpf holen, wenn er mit dem faulenden Wasser gurgelt.«
    »Oder gar nicht, Andreij!«
    »Vielleicht … Es kommt darauf an, was ich gefrühstückt habe.«
    Lachend entfernten sie sich nach zwei Richtungen. Konjew ging zurück nach Judomskoje, Boborykin platschte durch das Sumpfwasser bis zu seinem Knüppeldamm unter der schwappenden Oberfläche.
    Ist doch ein guter Kerl, der Ilja Sergejewitsch, dachte er. Nur schade, daß uns allen der Bolschewismus die Gehirne vertrocknet. Wir werden Mumien und merken es gar nicht.
    In Judomskoje erwartete man in den nächsten Tagen den neuen Pächter der Datscha. Es soll ein berühmter Kommunist sein, der einige Sinfonien über die Kolchosen, eine Oper über das Plansoll und einige Hymnen auf die Partei komponiert haben sollte. Er lebte bisher außerhalb Moskaus, am Rande von Babuschkin, wo die Wälder beginnen und die Liebespaare des Sonntags in den Büschen kichern.
    Konjew und Marussja, die in der herrenlosen Zeit die Datscha mit drei anderen Knechten verwalteten, hatten die Einfahrt mit Girlanden geschmückt und neue Blumen in die Blumenkästen auf der Veranda gepflanzt, als der neue Herr mit einem großen Auto vorgefahren kam.
    Er war ein wenig dick, aufgedunsen und kurzsichtig, kletterte aus dem Auto, besah sich die Girlanden und die Blumen und winkte Konjew zu.
    »Girlanden sind westliche Begrüßungsmethoden«, sagte er mit rauher Stimme. »Weg damit!«
    »Genosse Stalin wird überall mit Girlanden und Blumen empfangen«, protestierte der erbleichende Konjew.
    »Ich bin nicht Stalin, sondern Piotr Alexandrowitsch Tagaj«, sagte der neue Herr der Datscha. »Ich liebe nichts Auffälliges. Ich will nur meine Ruhe haben.«
    »Dann wird es eine laute und aufregende Zeit«, flüsterte Konjew seiner Marussja zu. »Ich vermute, sie haben ihn von Moskau abgeschoben, damit er hier unbemerkt verfault.«
    »Ich bin müde von der Reise.« Piotr Tagaj wischte sich über die ergrauenden Haare. »Ich komme morgen zu Ihnen, Genosse Konjew, um die Formalitäten zu erledigen. Ich danke Ihnen.«
    »Und das Fest?« fragte Konjew nach einem Rückenpuff seiner Marussja.
    »Welches Fest?«
    »Es ist in unseren Gegenden so üblich, daß ein neuer Datschaherr uns ein Fest zur Freude seines Einzuges gibt. Genosse Borkin tat es auch …«
    »So? Hm!« Tagaj stülpte die Unterlippe vor. Er sah aus wie ein küssender Schimpanse. »Ich habe dazu keine Zeit. Aber ich werde in der stolowaja von Judomskoje ein Klavierkonzert mit eigenen Werken geben.«
    Konjew und Marussja fuhren mit ihrem Pferdewagen zurück zu ihrer Hütte. »Nie!« sagte Konjew laut, als er außer Hörweite der Datscha war. »Nie! Mit eigenen Werken?! Wenn seine Musik so ist, wie er aussieht, bricht unsere ganze Kultur in Judomskoje zusammen.«
    Marussja nickte. Verzückt sah sie Konjew an. Sie bewunderte ihren Ilja. Er war so klug und konnte so gebildet reden.
    Wie eine Weltanschauung doch die Menschen formt –
    *
    »Wie alt bist du?« fragte die Kolzwoskaja.
    Sie saß auf einer Art Sofa am Fenster, beobachtete ein Reagenzglas, das über einem Bunsenbrenner in einem Klammergestell hing und in dem eine trübe Flüssigkeit zu kochen und zu brodeln begann. Boris Horn stand vor ihr an der Tür, an das Holz gedrückt, als könne er ihr entfliehen, wenn er sich durch die Tür preßte.
    »Einundzwanzig Jahre, Kapitän.«
    »Wie jung!«
    Sie musterte Boris so eingehend und frech, daß er spürte, wie Röte in sein Gesicht stieg. Er nahm allen Mut zusammen und trat einen Schritt vor.
    »In einem Jahr werde ich hier aussehen wie hundert Jahre. Das wissen Sie.«
    »Darum bist du ja auch hier.«
    »Was wollen

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