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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bor.« Natascha schloß die Augen. Ihr wurde übel … schwarze Schatten zogen vor ihren Augen vorbei. So ist das Sterben, dachte sie. So ist das Geheimnis des Weggleitens in das Vergessen … die Welt wird dunkel und leicht und kaum noch hörbar.
    Den Einstich spürte sie kaum, nur ihre Haut zuckte aus dem Reflex heraus. Langsam drückte Boris die wasserhelle Flüssigkeit in das Fleisch. Noch während er injizierte, schlief Natascha Trimofa ein. Der Blutverlust ließ ihre Kräfte verfallen, ihre gelblichweiße Haut sah aus, als würde sie gar nicht mehr mit Blut gespeist werden.
    Die ganze Nacht saßen Boris und Erna-Svetlana neben der schlafenden Natascha. Als sie zu phantasieren, als ihr Kopf zu glühen begann und sie sich hin- und herwälzte, im Delirium wimmerte und unverständliche Worte stöhnte, versuchte Boris, die Abbindung zu lockern.
    Aber kaum hatte er den Hemdenstreifen etwas gelockert, als das Blut wieder mit rhythmischen Schlägen aus der Wunde spritzte. Schnell zog er den Knebel wieder fester.
    »Sie verblutet uns«, sagte er leise, als könne es die Trimofa noch hören. »Wir müssen zu den Soldaten, Svetla. Ganz gleich, was daraus wird … wir dürfen nicht mehr an uns denken.«
    »Ich weiß es, Bor.« Erna-Svetlana senkte den Kopf. Ihre goldenen Haare waren strohig, verfilzt und schmutzig. Sie sah armselig aus. Boris schnürte es die Kehle zu. »Es war ein Fehler, zu denken, daß wir die Freiheit erreichen. Rußland ist groß genug für unser Leben und unsere Gräber …«
    »Sie werden mich zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilen, Svetla …«
    »Ich weiß es. Aber ich bleibe bei dir …«
    »Sie werden es nicht zulassen.«
    Der Kopf Erna-Svetlanas sank tief auf ihre Brust. Mit geschlossenen Augen, die Hände im Schoß verkrampft, saß sie da.
    »Vielleicht tun sie es, wenn ich deine Frau bin und ein Kind erwarte.«
    »Ein Kind –« Boris tastete nach der Schulter Svetlas. »Wie solltest du ein Kind bekommen?«
    »Es ist noch Zeit bis zum Morgen, Bor. Wir sind allein …«, sie sah auf die schlafende Trimofa. »Niemand sieht uns … nur Gott! Und er wird uns segnen dafür …«
    »Svetla …« Boris umklammerte ihre schmale Schulter. »Svetla … warum kann es nicht anders sein? Warum müssen wir das Glück verraten, um im Unglück leben zu können?!«
    »Wir dürfen nicht fragen, Bor.« Sie legte sich zurück auf ihre Decke und streckte die Arme weit zur Seite. »Man gibt uns doch keine Antwort. Nur was wir selbst tun, wissen wir. Komm, Bor … Ich bin deine Frau – und will es immer sein …«
    Zögernd, mit Augen, in denen Tränen standen, beugte sich Boris über das blasse, in der Dunkelheit verschwimmende Gesicht Svetlanas.
    »Wie wunderschön habe ich einmal von unserem Glück geträumt«, sagte er mit erstickender Stimme. »Wie schön sollte dieser Augenblick werden –«
    »Ist er nicht herrlich?« Sie schlang ihre schmächtigen Arme um seinen zitternden Hals. »Wir sind allein … draußen heult der Schneesturm, das Feuer umflackert uns, um uns herum ist herrliche Freiheit … was wollen wir mehr, Bor?«
    Er nickte stumm und küßte ihre kalten Lippen.
    Es war eine lange Nacht.
    Als der Morgen kam, lagen sie nebeneinander, Hand in Hand, und weinten. Sie wußten nicht, ob es Trauer oder Glück war …
    *
    Mit dem Morgendämmern ließ auch der Schneesturm nach.
    Boris stand bei den Pferden und wußte nicht, was er tun sollte. Sie waren zu schwach, um aufzustehen und die 8 Werst bis zu der Militärstation zu laufen. Sie jetzt schon zu erschießen aber brachte er nicht übers Herz.
    Während Erna-Svetlana die ohnmächtige oder noch immer schlafende Natascha Trimofa in das Fell wickelte, vorsichtig, ganz sacht das zerfetzte Bein mit zwei abgeschabten Kiefernstämmchen schienend, kniete Boris neben dem Kopf seines goldenen Pferdes und streichelte ihm die vereisten Nüstern.
    Er sah dabei weg, denn er konnte nicht in die Augen des Pferdes blicken. Als es begann, seine Hand zu lecken, zog er sie weg und hatte das Gefühl, schreien zu müssen. Er sprang auf und trat hinaus in die weiße Felsenschlucht.
    Der Himmel war blau und wolkenlos. Blendend schien die Sonne und warf die Felsen als blaue Schatten auf dem Schnee. Es war ein herrlicher Tag, windstill und durch Kristalle verzaubert.
    »Wir können gehen, Bor.« Die Stimme Erna-Svetlanas riß Boris herum. Sie stand hinter ihm, ein Kopftuch um die gelben Haare, unförmig in ihrer Steppjacke und den Stepphosen, aber mit einem Gesicht, das

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