Der Himmel über New York (German Edition)
weg!«
Ich lasse mich rücklings ins Gras fallen und lausche dem letzten Satz nach, den Worten, dem Befehlston, der keinen Widerspruch duldet. Warm rieselt mir etwas den Rücken hinunter, als hätte ich Kohlensäure im Blut.
Endlich ein Mann, der weiß, was er will.
Max hat noch nie so mit mir gesprochen. Max ist gemacht aus Schulterzucken, schiefem Grinsen, gesenkten Schultern. Max ist weit weg und ich bin hier und die Sonne scheint auf meinen Nabel. Ein Dichter aus New York möchte wissen, was ich von seinen Gedichten halte. Das ist doch ein Anfang.
Endlich kann das Leben kommen. Und mich finden. Wenn es will.
9.
B evor Leroy oder Lydia ihre Schlüssel heraussuchen können, fliegt die Wohnungstür auf.
»He, Leute! Wo bleibt ihr denn?«
Zuerst nehme ich den Tomaten- und Knoblauchduft wahr. Danach erst den Mann, der im Türrahmen steht. Sein Gesicht ist mit Sommersprossen übersät, die ergrauten Haare sind auf dem Rückzug.
Leroy klopft ihm auf die Schulter. »Ich freu mich auch, dich zu sehen, Bob.«
Lydia schlüpft in das Innere der Wohnung, wo sofort ein Kerl auf sie zustürzt, seine Hände um ihre Taille schlingt und sie gierig küsst.
Noch nie fand ich es so schön, einem anderen Mädchen beim Knutschen zuzusehen.
Sie erwidert den Kuss, dann wendet sie sich wieder Bob zu und sieht ihn tadelnd an. »Wie riecht es denn hier?«, fragt sie und schnuppert.
»Ich hab nichts damit zu tun, was hier am Herd passiert!«, ruft Bob mit gespielter Entrüstung. »Ich hab nur das Baguette geschnitten. Das mit dem Chili, das war Amy.«
»Alle Heiligen im Himmel! Es gibt wieder das schwarze Nichts!« Sie wendet sich Leroy zu und zupft ihn verschwörerisch am Ärmel. »Flieh! Verschwinde, solange es noch nicht zu spät ist! Und nimm deine neue Freundin mit!«
Zwei neugierige Augenpaare richten sich auf mich, und ich spüre, wie mir das Blut in die Schläfen steigt. Neue Freundin? Ich?
Gut, dass es dunkel ist im fensterlosen Treppenhaus.
»Wir haben noch einen Gast«, sagt Leroy und schiebt mich vor, über die Schwelle der Wohnung. »Jenny aus Deutschland.«
Immerhin bin ich nicht Jenny from Europe .
»Ähm, hallo«, sage ich. »So gerne mag ich Chili dann auch wieder nicht.«
Alle lachen, als hätte ich einen guten Witz gemacht, dabei habe ich nur das Erste gesagt, das mir einfiel. Ist ja auch nicht so einfach, wenn der bestaussehende Slampoet von New York City einem gerade eine seiner aufregenden Hände zwischen die Schulterblätter gelegt hat. Und sie auch einen Hauch länger dort liegen lässt als unbedingt notwendig.
Wir stehen jetzt in einem quadratischen Korridor mit ausgetretenem Parkettboden. Zwei der Wände sind von oben bis unten mit abstrakten Mustern bemalt. In der Mitte steht ein niedriger Holztisch, drum herum zwei Sofas mit aufgeplatzten roten Kunstlederbezügen und farbfleckige Holzstühle.
Bob bewegt sich rückwärts auf eines der Sofas zu. Dabei zieht er das eine Bein nach, als sei es ein lästiges Anhängsel. Sieht so aus, als könnte er das Knie nicht richtig bewegen. Vorsichtig lässt er sich in die Polster sinken und streckt mir eine Hand hin.
»So, so, Leroy hat also ein Mädchen mit nach Hause gebracht.«
Ein tiefes, warmes Lachen, beinahe zu dunkel für seinen hellen Teint. »Nice to meet you, Jenny!«
Ein Wasserhahn läuft, Töpfe klappern, und ich merke auf einmal, wie hungrig ich bin. Schwarzes Nichts hin oder her. »Amy, würdest du mir einen Schluck zu trinken bringen?«, ruft Bob.
Ein blasses Mädchen mit strähnigen blonden Haaren und Soßenspritzern auf dem T-Shirt kommt mit einem Wasserglas, randvoll mit Rotwein, in der einen, einer Zigarettenschachtel und einem Gasfeuerzeug in der anderen Hand angelaufen und stellt alles vor ihm ab. »Brauchst du auch einen Aschenbecher?«, fragt sie fürsorglich.
Noch einmal geht die Küchentür auf. Ein asiatischer Junge räumt die Papierstapel auf der Tischplatte zur Seite und stellt tiefe Teller hin, von denen keiner zum anderen passt. Seine Augen sind mit Kajalstift umrandet, um seine schwarze Jeans hat er einen Nietengürtel geschlungen. »Hi«, grüßt er cool in meine Richtung. »Ich bin Chang.«
Leroy legt mir eine Hand an den Arm.
»Soll ich dir mal was zeigen?«, fragt er leise, in einem Tonfall, als hätte er gerade gefragt, ob ich unter meinem Shirt noch etwas anhabe. Trotz der Hitze bekomme ich eine Gänsehaut.
Diesmal bin ich klüger und versuche gar nicht erst, etwas zu antworten. Ich nicke einfach nur.
»Dann
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