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Der Himmel über New York (German Edition)

Der Himmel über New York (German Edition)

Titel: Der Himmel über New York (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Carl
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Darin hält sie eine Blume. Wahrscheinlich eine Rose, das habe ich vergessen.«
    Einen Moment sagen wir beide nichts. Der alte Mann auf der Bank neben uns blättert mit gelben Fingerkuppen die Seiten einer italienischen Zeitung durch. Ein Junge im schwarzen Netzhemd überquert die Straße, als Don’t walk! an der Ampel aufblinkt. Er trägt eine E-Gitarre im Arm, behutsam wie ein Baby, das seinen Kopf noch nicht halten kann.
    »Es ist keine Rose«, sage ich schließlich. »Es ist eine Sonnenblume.«

18.

    D er nächste Slam in der Poets’ Bar ist nicht einfach irgendein Slam, sagt Leroy. Sondern der Slam. Die drei Sieger werden auf eine Clubtour durch Kalifornien eingeladen. Und als amtierender Champion hat Leroy etwas zu verlieren. Ich habe den Eindruck, es geht nicht nur um den Titel. Es geht auch um die Ehre.
    Den ganzen Abend vor dem Wettbewerb trippelt Leroy von einem Fuß auf den anderen, während er halblaut Reime vor sich hin murmelt. Er spielt an seiner Brille, knetet die Nasenwurzel, verschüttet zwei Wassergläser und eine Bierflasche. Zwischendrin beteuert er, wie wenig er für Kalifornien übrig hat und wie wenig ihm das Punktesystem bedeutet, mit dem Gedichte bewertet werden.
    Ich glaube ihm kein Wort.
    Auch als ich ihn endlich überredet habe, ins Bett zu kommen, hört er nicht auf zu üben. Ich male Buchstaben auf seinen nackten Bauch. L-O-V-E. »Schau mal, ich kann sogar im Liegen rappen!«, lacht er nervös, spricht in meine Mundhöhle hinein, als er mich küsst. Nur mit Mühe kann ich ihn davon abhalten, mir Verse ins Ohr zu flüstern, als wir miteinander schlafen. I am a poet/ I come armed with the gift of fire.
    Auf dem Fußweg zur Poets’ Bar muss ich an jeder roten Ampel aufpassen, dass er nicht einem Taxi vor die Kühlerhaube springt. Selbstvergessen murmelt er seine Verse vor sich hin. Manche klingen wie Beschwörungsformeln. Words of ancestors/ spoken in the Western winds. So konzentriert ist er, dass er nicht einmal meine Hand richtig festhält. Seine liegt in meiner wie ein toter Fisch.
    Wir betreten den Club und er lässt mich unbeachtet an der Bar stehen. Er hält Ausschau nach dem Moderator. Ich bestelle einen Rotwein.
    »Wie alt bist du?«
    »Einundzwanzig«, lüge ich.
    Der Kellner legt den Kopf schief und mustert mich aus hellblauen Augen.
    »Und wie alt ist dein boyfriend ?«
    »Zweiundzwanzig, warum?«
    » All right , wenn die Polizei kommt, drückst du ihm den Wein in die Hand«, ermahnt er mich und zwinkert mir zu. Er schenkt das Glas voll, wickelt eine Papierserviette darum und reicht es mir über die Theke.
    An einem Tisch in der Nähe der Bühne sind noch Plätze frei, und ich setze mich auf einen davon. Der Wein ist zu kalt und ein bisschen säuerlich.
    Leroy hat den Moderator gefunden, und sie stehen jetzt direkt vor mir. Sie stecken ihre Köpfe zusammen und ich kann Leroy flüstern hören.
    »Tu mir einen Gefallen, wähl nicht zu viele Jungs aus Brooklyn in die Jury. Die haben hier ihre eigenen Homeboys im Rennen und geben mir garantiert keine Punkte, weil ich in Manhattan wohne.«
    »Hey, du bist doch selbst aus Brooklyn, das ist doch so oder so ein Heimspiel.«
    »Sag das nicht! Ist nicht mehr meine Gang!«
    »Entschuldigung, ist hier noch frei?« Ein Junge hat seine Hand auf den Knauf des Stuhles neben mir gelegt. Mit seinen dunklen Locken und seinem blassen Teint könnte er gut den Edelmann in einem Kostümfilm spielen.
    Unter normalen Umständen hätte ich mir den vielleicht genauer angeschaut. Aber die Umstände sind ja nicht mehr normal.
    »Ja. Klar.«
    Während Leroy hinter der Bühne verschwindet, streckt mir der Schwarzhaarige seine Hand hin. »Simon. Schön, dich kennenzulernen.«
    Er zieht mit der Schuhspitze ein Stuhlbein zu sich heran und setzt sich hin.
    »Bist du öfter hier?«
    Lahmer Spruch.
    »Sicher. Ich bin Stammgast«, sage ich und verkneife mir ein Lachen. Ganz schön großspurig, aber nicht falsch.
    »Echt, du wohnst hier?«
    »Nein. Ich meine, ja. Zurzeit wenigstens. Eigentlich komme ich aus Deutschland.«
    »Deutschland? Cool! Die trinken Bier aus Litergläsern, oder?«
    Leroy kommt noch einmal an meinem Tisch vorbei. Er geht schnell, die Schultern zurückgezogen, und wirft mir einen kurzen Blick zu. Kein Lächeln. Sieht aus, als wäre etwas schiefgelaufen.
    »Ich muss kurz meinem Freund alles Gute wünschen«, erkläre ich Simon und stehe auf.
    Leroy lehnt jetzt an der Bar und rührt mit einem Strohhalm in einer Colaflasche. Zwischen seinen

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