Der himmlische Weihnachtshund
vergisst.«
Michael schwieg und versuchte, dieses Bekenntnis einzuordnen.
Fiona holte hörbar Luft und sprach weiter: »Ich habe unter der Trennung am Anfang ziemlich gelitten und viel geheult. Meine Mutter wusste sich wahrscheinlich kaum noch zu helfen und redete mir irgendwann ein, dass es besser sei, wenn ich den Kontakt abbreche und gar nicht mehr an dich denke. Versteh mich nicht falsch, sie hatte dich immer sehr gern und wird sich vermutlich freuen, wenn sie erfährt, dass wir uns wiederbegegnet sind. Aber damals war es ihrer Meinung nach wohl das einzig Richtige«alle Verbindungen hierher zu kappen.« Sie schluckte. »Und ich habe auf sie gehört.« Mit einer ruckartigen Bewegung stand sie auf und ging zum Fenster, um hinauszublicken.
Michael betrachtete ihren Rücken, die hochgezogenen Schultern, sagte jedoch nichts. Er hatte eine Ahnung, dass sie noch mehr zu sagen hatte.
Ohne sich zu ihm umzudrehen, fuhr sie fort: »Ich habe mir eingeredet, dass es für uns beide besser sei, wenn ich mich nicht mehr melde. Und es hat mir auch in gewisser Weise geholfen. Ich konnte wieder durchatmen, mich neuen Freundschaften öffnen.« Nun drehte sie sich doch wieder um. Ihre Miene wirkte gequält. »Es ging mir besser ohne den Kontakt zu dir. Aber ich hatte ein schlechtes Gewissen. Habe es immer noch. Du warst mein bester Freund, und ich wusste, ich hatte dich im Stich gelassen. Deshalb habe ich mich auch nicht bei dir gemeldet, als ich wieder hierher gezogen bin.«
Einen Moment lang schwieg Michael. Als Fiona sich wieder zum Fenster umdrehte, erhob er sich rasch und ging zu ihr. Vorsichtig legte er ihr die Hände auf die Schultern und drehte sie zu sich herum. »Fiona, wir waren noch Kinder.«
»Ich weiß, aber trotzdem … «
»Es hätte tausend Gründe geben können, einander aus den Augen zu verlieren.«
»Vielleicht … «
»Glaubst du wirklich, ich nehme es dir heute noch übel, dass du das einzig Vernünftige getan hast?«
»Vernünftig?« Verwirrt schaute sie zu ihm auf.
Er lächelte leicht. »Ja, sicher. So eine Fernfreundschaft ist schon unter den besten Bedingungen schwierig. Wir waren gerade zehn Jahre alt, als ihr weggezogen seid. Dein Vaterhat damals diesen Posten als Diplomat erhalten. Wie oft seid ihr danach noch umgezogen?«
»Ich weiß es nicht mehr.« Sie hob die Schultern. »Wir waren auch oft im Ausland.«
»Siehst du, da wäre es früher oder später sowieso zu einem Bruch gekommen.«
»Glaubst du?«
Ungeachtet ihrer etwas starren Haltung trat er näher an sie heran. »Ja, spätestens im Teenageralter wäre die Sache schiefgegangen.« Er schmunzelte. »Einem von Hormonen beherrschten Halbwüchsigen wäre es sicherlich schwergefallen, seiner Sandkastenliebe regelmäßig Briefe zu schreiben – oder überhaupt.« Vorsichtig zog er sie ein wenig an sich. »Du hast also nur beschleunigt, was die Zeit wahrscheinlich früher oder später sowieso mit sich gebracht hätte.«
»Wahrscheinlich?«, fragte sie etwas atemlos.
Lächelnd blickte er ihr in die Augen. »Ziemlich wahrscheinlich. Das muss ja nicht bedeuten, dass wir es beide nicht bedauert hätten.« Er schwieg kurz. »Nimmst du es mir übel, dass ich mich nicht bei dir gemeldet habe, obwohl ich deine Adresse herausgefunden hatte?«
»Nein, natürlich nicht!«, rief sie. »Obwohl ich mich wahrscheinlich sehr gefreut hätte, von dir zu hören.«
»Wahrscheinlich?« Er zwinkerte ihr zu. »Ich glaube, es ist besser, so wie es jetzt ist. Damals hätte ich vielleicht … «
»Was?« Neugierig sah sie ihm in die Augen.
Er verspürte einen Anflug von Verlegenheit, hielt ihrem Blick jedoch stand. »Es klingt vielleicht verrückt, aber ich glaube, ich war irgendwie eifersüchtig auf den Typ, mit dem der Detektiv dich fotografiert hatte. So ein großer, blonder … «
»Das muss André gewesen sein«, sagte Fiona. »Ich warwährend des Studiums eine Weile mir ihm zusammen.« Sie stockte. »Eifersüchtig?«
»Verrückt, das sagte ich doch.« Er versuchte es abzutun, merkte aber, dass sein Lächeln unecht wirkte. Er sah es an ihrem skeptischen Blick. »In meinem Kopf warst du trotz der langen Trennung irgendwie immer noch meine Fiona.«
»Deine …?«
Er nickte. »Ja, meine. Du warst nicht nur meine beste Freundin. Ich habe dich geliebt, wie man einen Menschen nur lieben kann. Das war vermutlich auch der Grund, weshalb meine Eltern dich immer akzeptiert haben, obwohl sie sonst auf romantische Bindungen wenig Wert legen. Sie
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