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Der hinkende Rhythmus

Der hinkende Rhythmus

Titel: Der hinkende Rhythmus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaye Boralıoğlu
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Strauß zu verkaufen. Es war etwas Sonderbares an ihr; etwas wie ein Lichtschein, der ihren Körper umgab … eine magische Wolke, die sie beschützte … eine übernatürliche Kraft …
    Um nicht von ihr entdeckt zu werden, schloss Halil die Fenster, zog die Mütze herunter, schlug den Kragen seiner Jacke hoch. Er wusste nicht, warum er nicht erkannt werden wollte. Aber falls er dieses Mädchen kannte, falls sie aus irgendeinem Grund in seinem Leben eine wichtige Rolle spielte, wäre es nicht ratsam, sich zu erkennen zu geben, bevor er sich an sie erinnert hatte. Das spürte er.
    Was mochte wohl geschehen sein? Woher könnte er diese Zigeunerin kennen, die auf der Straße Blumen verkaufte? Eine Liebesgeschichte war es bestimmt nicht. Sie war noch sehr jung. Vielleicht mit ihrer Mutter?
    Oder vielleicht hatte er sie mit seinem Wagen gestreift. Vielleicht gab es einen Unfall und er war abgehauen. Deswegen also schlug sein Herz wie wild, wenn er sie sah. Aber auch gut möglich, dass nichts dergleichen geschehen war. Dass er bloß von einer hinterhältigen Vision heimgesucht wurde. Vielleicht war er nur irgendwann an ihr vorbeigefahren.
    Was auch immer gewesen sein mochte – Halil wollte es wissen. Er verspürte den gewaltigen Wunsch, das Geheimnis dieses kleinen, seltsamen Geschöpfs zu lüften.
    Er verfolgte sie weiter mit seinem Blick, während er einen Parkplatz für seinen Wagen suchte und einparkte. Er stieg aus, setzte seine schwarze Brille auf und fing an, das Mädchen aus sicherer Entfernung zu beobachten.
    Fast zwei Stunden sah er zu, wie sie sich mit großer Leichtigkeit zwischen den Autos bewegte, ihre neckischen Spielchen trieb, wobei sie fast mit dem ganzen Oberkörper in den Autos hing, wie sie immer wieder an ihren Blumen roch und nach jedem verkauften Strauß das Geld in einen Beutel schob, den sie in ihrer Pluderhose unter dem Kleid bewahrte, wie sie sich auf den Rand des Trottoirs setzte und ausruhte und sich Stirn und Wangen mit ihrem Kopftuch abtupfte. Jede ihrer Gesten saugte er mit einer verrückten Neugier in sich auf.
    Kurz vor Sonnenuntergang, als Halil, unbeweglich in seinem Versteck, in der Kühle des Abends allmählich zu zittern anfing, lief das Mädchen Richtung Maçka. Und Halil folgte ihr.
    Sie plauderte im Teegarten neben dem Maçka-Park mit dem Kellner, dann lief, nein, hüpfte, oder eher, flog sie nach Dolmabahçe hinunter, stieg nach Gümüşsuyu hinauf, überquerte den Taksim-Platz so mühelos, als herrschte dort kein reges Durcheinander, sondern absolute Ruhe, stieg den Tarlabaşı-Boulevard Richtung Dolapdere hinab, vorbei an lausigen Bars, Börek-Läden mit einer Fettschicht an deren Vitrinen, klapprigen Barbierläden mit nur zwei Stühlen, Perückengeschäften, an deren Glastüren lange und kurze, blonde, blaue und rote Perücken hingen, vorbei an verlassenen Häusern der Griechen und an verfallenen, geheimnisvollen Bauten – und Halil lief immer hinter ihr her. Seine Füße waren zwei Federn auf dem Boden und seinen Atem konnte nicht einmal er selbst hören. So blieb er unbemerkt, während er sie beobachtete, wie sie beim Krämer Brot kaufte, und während er sich das Haus einprägte, dessen Tür sie mit ihrem Schlüssel aufschloss. Um sich nicht nur auf sein Erinnerungsvermögen verlassen zu müssen, lieh er sich bei einem heimkehrenden Schuljungen, dem der Rotz aus der Nase lief und dessen Kragen sich von der Schuluniform gelöst hatte, einen Stift und notierte den Namen der Gasse und die Hausnummer auf einem Papiertaschentuch. Mit dem unbeschriebenen Rest wischte er dem Jungen die Nase ab.
    Wieder zu Hause angekommen, legte sich Halil aufs Bett und betrachtete dieses Papiertaschentuch. Es war Unfug, was er hier trieb. Er hatte ein blutjunges Mädchen, das er überhaupt nicht kannte, schamlos verfolgt und ihre Adresse auf diesen schäbigen Schnipsel gekritzelt. Wenn das mal jemand sieht … wenn das mal jemand hört … Er musste sofort mit diesen Streichhölzern hier dieses Stück Papier vernichten. So gehörte es sich. Ja, auf jeden Fall, das musste er tun.

    Es waren noch keine zwei Tage vergangen, und Halil fand sich in dem Viertel des Mädchens wieder. In einem Teehaus, wo ihn ein jüngerer Typ ansprach.
    »Guten Tag, Bruder«, stellte sich jener an seinen Tisch, an dem er mit einem Glas Tee saß.
    Er strahlte etwas vorsichtig Bedrohliches aus, aber Halil nahm ihn nicht ernst und war auch nicht beunruhigt.
    »Guten Tag«, antwortete er gelassen.
    »Du bist neu in dieser

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