Der Hintermann
wie dieses Treffen.«
»Aber danach habe ich nicht gefragt, Mr. Allon. Ich möchte wissen, ob Sie mich beschützen werden.«
»Darauf gebe ich Ihnen mein Wort«, antwortete er, ohne zu zögern.
»Das Wort des Mannes, der meinen Vater ermordet hat.«
»Die Vergangenheit lässt sich nicht mehr ändern, fürchte ich.«
»Nein«, sagte sie, »nur die Zukunft.«
Sie sah zu Eli Lavon hinüber, der es bewundernswürdig gut verstand, seine Unzufriedenheit mit der Richtung, die das Gespräch genommen hatte, zu verbergen, und blickte dann in den Schlosspark hinaus.
»Uns bleiben noch ein paar Minuten Tageslicht«, sagte sie zuletzt. »Machen wir einen kleinen Spaziergang, Mr. Allon? Es gibt noch etwas, das ich Ihnen erzählen muss.«
Sie folgten einem mit feinem Kies bestreuten Fußweg zwischen im Wind schwankenden Zypressen. Nadia ging rechts neben Gabriel. Anfangs schien sie bewusst auf Abstand zu achten, aber als sie tiefer in den Park hineingingen, sah Lavon ihre Hand diskret auf Gabriels Arm ruhen. Nadia blieb einmal stehen, als zwinge das Gewicht ihrer Worte sie dazu, und machte dann bei dem für den Winter stillgelegten Brunnen in der Parkmitte halt. Dort blieb sie einige Zeit auf dem Brunnenrand sitzen und plätscherte wie ein Kind mit einer Hand in dem noch im Becken stehenden Wasser, während das letzte Tageslicht schwand. Danach konnte Lavon fast nichts mehr erkennen. Er sah noch, wie Gabriel kurz Nadias Wange mit der Hand berührte, aber dann nichts mehr, bis die beiden wieder aus dem Park zurückkamen, wobei Nadia jetzt wie haltsuchend Gabriels Arm umklammerte.
Sobald sie in das Gesellschaftszimmer zurückgekehrt waren, rief Gabriel den Rest des Teams herein, und die Party ging weiter. Aber Gabriel bestand darauf, dass weder über ihre gemeinsame Vergangenheit noch ihre ungewisse Zukunft gesprochen wurde. Für den Augenblick gab es keinen globalen Krieg gegen den Terror, keine neue Terrororganisation, die zerschlagen werden musste, überhaupt kein Grund, sich Sorgen zu machen. Es gab nur guten Wein, gute Gespräche und eine Gruppe guter Freunde, die in Wirklichkeit gar keine Freunde waren. Wie Gabriel beschränkte Nadia sich größtenteils darauf, die gespielte Jovialität passiv zu beobachten. Weiter in aufrechter Haltung, als sitze sie für ein Porträt, ließ sie ihren Blick langsam von Gesicht zu Gesicht wandern, als seien sie Teile eines Puzzlespiels, das sie im Kopf zusammenzusetzen versuchte. Zwischendurch ruhte ihr Blick immer wieder auf Gabriels Händen. Er versuchte nicht, sie zu verbergen, denn zwischen ihnen gab es keine Geheimnisse mehr. Für Lavon und den Rest des Teams stand fest, dass Gabriels Zweifel in Bezug auf Nadias Absichten ausgeräumt waren. Wie ein Liebespaar hatten sie ihren Bund durch den Austausch von Geheimnissen besiegelt.
Kurz nach neunzehn Uhr gab Gabriel das Zeichen, dass die Party zu Ende sei. Als Nadia aufstand, wirkte sie kurzzeitig ein wenig benommen. Sie wünschte allen eine gute Nacht und ging von Zoe begleitet über den spärlich beleuchteten Vorhof zu ihrem Wagen, neben dem Rafiq al-Kamal, Beschützer ihres Vaters, auf sie wartete. Auf der Rückfahrt sprach sie wieder fast ohne Pause – diesmal über ihre neuen Freunde Thomas und Jenny Fowler. Gabriel hörte über Zoes Blackberry mit. Am folgenden Morgen sah er zu, wie das blinkende Icon sich vom Place de la Concorde zum Flughafen Charles de Gaulle bewegte. Während Zoe auf ihren Flug wartete, rief sie ihren Produzenten in New York an, um ihm mitzuteilen, das Exklusivinterview mit Nadia al-Bakari sei zumindest vorläufig gestorben. Sinnlich flüsternd fügte sie für Gabriels Ohren bestimmt hinzu: »Muss mich leider verabschieden, mein Lieber. Ruf mich an, wenn du wieder mal was brauchst.« Gabriel wartete, bis Zoe sicher an Bord der Maschine war, bevor er die auf ihrem Handy gespeicherte Software löschte. Damit verschwand sie vom Bildschirm.
33
S ERAINCOURT , F RANKREICH
Ernsthaft begann das Unternehmen am folgenden Morgen um 10.15 Uhr, als Nadia al-Bakari, Unternehmerin, Menschenrechtsaktivistin und Agentin des israelischen Geheimdiensts, ihre engsten Mitarbeiter darüber informierte, sie beabsichtige, ein Joint Venture mit Thomas Fowler Associates, einer kleinen, aber sehr erfolgreichen Londoner Investmentgesellschaft, zu gründen. Am selben Nachmittag fuhr sie nur von zwei Bodyguards begleitet zu Mr. Fowlers Wohnsitz nordöstlich von Paris, um die erste Runde konkreter Verhandlungen zu
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