Der Höllenbote
Nebenraum als Ziel ausgesucht, und Suko betete innerlich, daß Linda Brackett und Lai Ti Jan schlau genug gewesen und geflohen waren. Sie konnten den Reiter nicht stoppen.
Der Chinese glitt durch die Lichtstrahlen. Für Bruchteile von Sekunden wurde sein Gesicht erhellt, war er ein wirbelnder weißer Fleck, ein Schemen in der Finsternis, dann jagte er schon mit gewaltigen Sprüngen auf den Durchlaß zu und vernahm die gellenden Schreie, noch bevor er ihn erreichte.
Sie waren nicht geflohen!
Der Schrei brach ab.
Dafür vernahm Suko ein dröhnendes Lachen, und als er über die Schwelle flog, da sah er den Horror-Reiter in voller Größe auf dem Pferd sitzen.
Allerdings nicht allein.
In der rechten schwarzen Hand hielt er seine Lanze, die er vom Boden hochgerissen hatte, wurfbereit. Und mit dem linken Arm hatte er seine Geisel umklammert.
Es war Linda Brackett!
***
»Sie wird sterben!« brüllte er schaurig. »Verflucht, sie wird sterben!«
»Nein, nicht!« schrie Suko zurück und hob den rechten Arm mit der Peitsche.
»Und er auch!« Der Horror-Reiter ließ sich von Sukos Worten nicht beeindrucken.
Rasch wandte der Inspektor den Kopf. Jetzt sah er, wen der Dämon gemeint hatte.
Lai Ti Jan!
Er hatte sich mit dem Rücken an die der Tür gegenüberliegende Wand gepreßt und zitterte wie Espenlaub. Die Angst umfaßte ihn wie mit gierigen Klauen, er schüttelte den Kopf und hatte die Hände vor sein Gesicht geschlagen.
»Tot muß er sein!« gellte die Stimme des Horror-Reiters und bewies im nächsten Augenblick seine Mordlust und Unbarmherzigkeit. Er schleuderte seine Lanze!
Dieses verfluchte, tödliche Instrument, das er so meisterhaft zu beherrschen gelernt hatte und das mit einem regelrechten Pfeifen die Luft durchschnitt.
Suko erstarrte vor Entsetzen. In einem aufzuckenden Gedankenblitz wurde ihm klar, daß er den Stab zu früh eingesetzt hatte. Jetzt hätte er ihn gebraucht, doch er mußte sich erst wieder neu aufladen, um wirksam sein zu können.
Die nächsten Ereignisse kamen ihm wie in einem Zeitlupenfilm vor. Er konnte den Flug der Mordlanze verfolgen und sah auch die Reaktionen des alten Chinesen.
Als die Lanze auf ihn zuwischte, fielen seine Arme nach unten. Das Gesicht wurde zu einer Grimasse der Angst, angestrahlt vom Restlicht des Scheinwerfers, und noch in der gleichen Sekunde erfolgte ein ungemein dumpfer Aufprall.
Lai Ti Jan zuckte zusammen. Für einen Moment sah es so aus, als wollte er sich aufrichten und wäre von der Lanze an die Wand genagelt worden. Dann drehte sich sein Körper zur Seite, bekam das Übergewicht, schlug von der Wand auf den Boden und blieb in der Rückenlage liegen, wobei der Lanzenstiel wie ein makabres Todeszeichen aus seiner mageren Brust ragte. Lai Ti Jan lebte nicht mehr.
Was Suko in diesen schrecklichen Sekunden durch den Kopf schoß, waren panische Gedanken.
Aber nicht die Angst um sich selbst, sondern um Shao! Der alte Chinese hatte Shao durch ein Medikament in den totenähnlichen Schlaf versetzt, und nur er kannte das Gegenmittel. Jetzt war Lai Ti Jan tot. Konnte Shao noch gerettet werden?
Das war die Frage, die Suko quälte, die sein Innerstes zu einem gewaltigen Feuer werden ließ, das ihn förmlich verzehrte. In seiner ersten Wut wollte er sich voller Haß und Zorn auf den Horror-Reiter stürzen, der den Tod des alten Chinesen letztendlich zu verantworten hatte und auch vielleicht an Shaos Ableben die Schuld trug, falls es wirklich dazu kommen sollte.
Suko wurde unkonzentriert. Er achtete nicht mehr auf seinen Gegner. Zu sehr war er mit sich selbst und den Gedanken an Shao beschäftigt, bis sich ein tiefer, fast seufzender Atemzug seiner gequälten Brust entrang. Es war die Angst, die reine Angst, die sich bemerkbar machte. Auch der Horror-Reiter ahnte, daß er mit dem Mord an dem alten Chinesen irgend etwas in Gang gesetzt hatte, wofür er noch keine Erklärung besaß und reagierte nicht mehr, sondern wartete ab.
Unendlich langsam und bald sie eine ferngesteuerte Puppe drehte Suko den Kopf.
Sein Blick brannte sich auf den Reiter fest. »Warum?« knirschte er. »Warum hast du das getan?«
Dumpf klang die Antwort unter der Maske hervor. »Er war mir eben im Weg!«
»Du hättest dich an mich halten können«, erwiderte Suko tonlos.
»Das werde ich auch!« brüllte die dämonische Kreatur und ritt im nächsten Augenblick wieder an.
Bis zu seinem Gegner hatte er nur eine kurze Distanz zu überwinden. Noch immer wollte er Suko tot vor den Hufen
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