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Der Hollywood-Mord

Der Hollywood-Mord

Titel: Der Hollywood-Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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während sie ihre Figuren lief und dahinschwebte. Ballett auf Rollschuhen. Martin Welborn hätte es nicht für möglich gehalten. Sie trug ein champagnerfarbenes, ärmelloses Trikot, Strümpfe und glänzende Stiefel. Sie schien nur für sich zu laufen, tief konzentriert. Als sie an den Rand der Bahn kam, um mit irgend jemandem auf der Galerie zu reden, lächelte sie, und ihre Zähne waren so weiß wie die von Martin Welborn, was bedeutete, daß sie wahrscheinlich überkront waren, obgleich er sehen konnte, daß sie fast kein Make-up trug und ihre breiten Brauen und getuschten Wimpern ihre eigenen waren. Von der Figur her war sie fünfundzwanzig. Nach ihrem Lachen, ihrer Stimme und den Falten um die Augen und den Mund und an ihrem hübschen Nacken war sie mindestens fünfunddreißig. Wie alle Polizisten schaute Martin Welborn sofort auf ihre Hände.
    Die Hände sagten viel aus und konnten nichts verbergen. Sie offenbarten das Geschlecht, wenn es zweifelhaft war, das Alter und vor allem die Absichten. Achte auf die Hände, sagten die Erfahrenen immer. Keiner kann dir was tun, wenn du auf die Hände achtest.
    Und eines lange vergangenen Tages, als Martin Welborn als junger Polizeianwärter auf dem Pico Boulevard Streife ging, schlichtete er einen Streit in einer indischen Bar und achtete so ausgiebig auf die Hände eines betrunkenen Helden, daß der Inder ihn in die Eier trat und für zwei Tage ins Krankenhaus beförderte, die Ausnahme, die die Regel bestätigte. Aber wie auch immer, die Hände enthüllten Geschlecht und Alter und normalerweise auch die Absichten.
    Ihre Hände waren vierzig Jahre alt, aber sie waren lang und hübsch. Sie schaute Martin Welborn an, aber sie sah ihn nicht. Er fragte sich, was sie so machte, ob sie verheiratet war, ob sie allein war. Keine Frau hatte ihn so stark angezogen, seit Paula weggegangen war. Er war überhaupt noch nie zuvor zu einer Frau so sehr wie zu Paula hingezogen worden. Sie war die begehrenswerteste Frau, die er je gekannt hatte, und nun, da sie weg war, drehten sich im Schlaf- und im Wachzustand alle sexuellen Phantasien (und das waren wenige) um Paula. Seltsamerweise quälte er sich nicht mit Phantasien über Paula mit anderen Männern. Er dachte nur an sie und an sich, zu dem sie gehörte. Aber er machte sich keine Illusionen. Sie hatte ihn für immer verlassen.
    Diese Skaterin hatte irgendwas. Sie glitt zurück in die Mitte der Bahn und nahm ihre schwierigen Übungen wieder auf.
    In diesem Moment sprang Al Mackey von seinem Sitz hoch und hastete an den Rand der Bahn. Er hatte eine haarlose Vogelscheuche auf roten Rollschuhen entdeckt, die sich in Schlangenlinien durch eine Kette von Mädchen wand, die sich höchst gefährlich herumschleudern ließen. Der Typ war wendig genug, unter den Armen jedes Mädchens durchzurollen, das sich jeweils in der Taille des vor ihr laufenden Mädchens festhielt. Nur gelegentlich mußte ein Mädchen seinetwegen loslassen, weil er so hin und her schoß. Sie schienen ihn alle zu kennen und streckten ihre kleinen Ärsche weit nach hinten, damit er seine scheinbar unmöglichen Mätzchen machen konnte. Einige Leute in der Menge applaudierten.
    Al Mackey fragte sich gerade, ob Marty den Skater ebenfalls entdeckt hatte, als eine andere fünfundfünfzigjährige Bohnenschote mit einer rostbraunen, abenteuerlichen Perücke, die wie ein Flammenschweif hinter ihr her flatterte, an Al Mackeys Gesicht vorbeiflog. Al Mackey sagte sich, daß der rostbraune Roller durchaus ebenso kahl sein konnte. Es war aussichtslos.
    Als Al Mackey ganz dicht an die Bahn herankam, weg von der alles einhüllenden Wolke von Marihuana und den wackelnden Titten nebenan, gab es Dutzende, die Mr. Wheels sein konnten. Superdünn ist in. Jeder war annähernd so mager wie Al Mackey. Nachdem man sich all die Jahre über ihn lustig gemacht hatte, war er plötzlich genau im Trend. So lange, wie er sein Leben in Hollywood, USA, verbrachte.
    Dann sah er, wie Marty ihm von der Galerie gegenüber zuwinkte. Sie gingen hinauf zur Snackbar und tranken einen Kaffee und waren sich einig, daß es hoffnungslos war.
    »Ich habe den Manager gefragt und mindestens ein Dutzend von den heißesten Skatern, ob sie Mr. Wheels kennen«, sagte Martin Welborn, »ohne Erfolg.«
    »Ich habe mit ein paar Leuten geredet, die einen ›Wheels‹ oder ›Wheely‹ kannten und sogar einen, der einen ›Mr. Wheels‹ kannte, aber der paßte überhaupt nicht zu der Beschreibung«, sagte Al Mackey.
    »Möchtest du

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