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Der Hügel des Windes

Der Hügel des Windes

Titel: Der Hügel des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmine Abate
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nächsten Tag besetzten dieselben Leute das Gemeindelandrund um Spillace, um es in Gemüsefelder umzuwandeln, während im Herbst bereits die mutigsten und verzweifeltsten unter ihnen auf Don Licos brachliegenden Feldern Weizen gesät und sich Anzeigen bei den Carabinieri und Haftstrafen eingehandelt hatten.
    Arturo teilte sich auf zwischen den Aktionen mit den Genossen, die heimlich die Landbesetzungen organisierten, und der Arbeit auf dem Rossarco, wo er William immer noch versteckt hielt. Mehr als einmal war er in letzter Zeit kurz davor gewesen, den Genossen davon zu erzählen, doch zum Glück widerstand er jedes Mal der Versuchung, denn er kannte die Gefahr, in der er und William schweben würden, wenn die Nachricht die Schwelle des Hügels oder des Hauses Arcuri überträte.
    Das Ende des Faschismus lag jedenfalls in der Luft. »Wir haben zwanzig Jahre gewartet, jetzt müssen wir noch ein paar Monate durchhalten, dann wird sich alles ändern«, sagte Arturo den jüngeren unter ihnen, die ungeduldig mit den Hufen scharrten und eines Nachts den Versammlungssaal der Faschisten verwüstet und eine Gipsbüste Mussolinis zerschlagen hatten. Gleichzeitig versuchte er, die gefährliche Euphorie zu dämpfen, die seit der Nachricht von der amerikanischen Landung auf Sizilien von William Besitz ergriffen hatte: »Bleib ganz ruhig, du gehst erst hier weg, wenn deine Landsleute dich abholen. Zurzeit herrscht ein so reges Kommen und Gehen von Nazis und Faschisten, dass nicht einmal eine englische Fliege lebend hier herausfinden würde.« Um ihn auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, erinnerte er ihn dann daran, dass sein Sohn nach einer mehr als geflickschusterten Grundausbildung an die Ostfront geschickt worden war und seitdemnichts mehr von sich hatte hören lassen: Dass Michelangelo sein Versprechen zu schreiben nicht einhielt, wie er es anfangs regelmäßig getan hatte, war ein sicheres Zeichen dafür, dass der Krieg um ihn herum mit unerhörter Gewalt tobte.
    Der Vater war so besorgt um das Schicksal seines Sohnes, dass Ninabella ihn eines Juninachmittags dabei ertappte, wie er vor der Statue des heiligen Antonius betete, er, der Pfaffenhasser, der die Kirche nur bei seiner Hochzeit und den Taufen seiner Kinder von innen gesehen hatte.
    Die Nachricht, dass der Faschismus endlich gestürzt und Mussolini als Regierungschef von Badoglio abgelöst sei, eilte zur Erntezeit von Tenne zu Tenne. Viele Bauern übernachteten in diesen Tagen auf den Feldern, um auf ihre Getreidesäcke aufzupassen, die von den sogenannten viaggèri, auf Eseln und Maultieren reitenden Kindern, abtransportiert wurden. Sie waren es auch, die die gute Nachricht verbreiteten, die sie im Radio des Arztes gehört hatten.
    Die Faschisten von Spillace wussten nun nicht, wo sie sich verstecken, wie sie sich verhalten sollten, sie fürchteten die Rache derer, die zwanzig Jahre lang unter Gewalt, Ungerechtigkeit, Säuberungsaktionen, Verbannung und Zuchthaus gelitten hatten.
    Arturo versuchte, die hitzigsten Gemüter zu kühlen, welche sie in Stücke reißen wollten. Er erlaubte ihnen, sich an dem Versammlungssaal der Faschisten auszutoben, der mit allen Papieren und Fahnen und Duce-Fotos und Zeitungen niedergebrannt wurde. Gleichzeitig überzeugte er sie davon, sich nicht an Menschen zu vergreifen, weil sonst auch unschuldige Frauen und Kinder unter die Räder gekommenwären. Im Übrigen waren die wahrhaft Schuldigen wie Don Lico längst in Richtung Catanzaro, Cosenza oder Neapel zu Verwandten geflohen, um sich in der Anonymität der Städte zu verkriechen und auf bessere Zeiten zu warten.
    »Don Lico hätte ich schon gerne eine Lektion erteilt, allein damit er sich vor Angst in die Hose macht, wie ich damals, als mir seine hinterfotzigen Schergen das Rizinusöl mit einem Rohr in den Rachen gekippt haben«, sagte Arturo mit unverhohlenem Groll. »Aber früher oder später kehrt er nach Spillace zurück, und dann werden wir ihn mit Prozessen demütigen. Er soll all das auskotzen, woran er sich zwanzig Jahre lang auf unsere Kosten fettgefressen hat.«
    Er war überzeugt und überzeugte die anderen, dieser Arturo Arcuri. Er hatte Charisma und Lebenserfahrung, die Genossen lauschten ihm abends auf der Piazza, und er führte die Liste für die zukünftigen demokratischen Wahlen an, im Geiste sahen sie ihn schon als Bürgermeister oder gar Abgeordneten, dank seiner Beredsamkeit: Arcuri Arturo, Bauer und Bürgermeister, ein Abgeordneter so rot wie sein

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