Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
an der Rückseite des Grundstücks befand und von Knechten und Mägden für Botengänge benutzt wurde. Das Schloss gab bereits nach kurzer Gewaltanwendung nach. Wittiges tastete sich im Dunklen weiter vor. Wie die meisten Stadthäuser hatte auch dieses einen Innenhof und eine umlaufende Galerie im Obergeschoss. Dort lagen die Schlafräume. Er schlich die Treppe hinauf, tappte die Galerie entlang und horchte an jeder Tür.
Schließlich raffte er behutsam einen der schweren Vorhänge beiseite, die als Türen dienten. Ein tiefes Schnarchen, unterbrochen von Atemaussetzern, ließ ihn vermuten, am richtigen Ort zu sein. Er hoffte nur, dass Nikomedes keine Magd mit ins Bett genommen hatte.
Wittiges trat zum Fenster und schob den Vorhang beiseite, bis genügend Mondlicht von draußen hereinfiel, damit er sich zurechtfand. Leise entzündete er eine der Öllampen in der Nähe des Betts und zog seinen Dolch aus der Scheide.
Er rüttelte sacht den Schlafenden. Erst als er das Rütteln mit mehr Druck wiederholte, grunzte Nikomedes und öffnete die Augen.
„Beweg dich nicht!“, zischte Wittiges und hielt ihm die Klinge an den Hals.
Nikodemus erstarrte, die Augen traten ihm fast aus den Höhlen vor Angst.
„Wittiges? Was willst du? Die Schließe? Nimm sie dir“, keuchte er.
„Ich hab nicht die Absicht, dich zu berauben. Alles, was ich verlange, sind Antworten. Woher hast du die Schließe? Hättest du mir gleich geantwortet, hätten wie uns diese Begegnung hier erspart“, knurrte Wittiges gedämpft.
„Bitte!“ Nikodemus wollte eine fette, fleischige Hand zwischen die Klinge und seinen Hals schieben, aber Wittiges stach zu, und der Händler quiekte. Dabei hatte ihn die Spitze nur berührt.
„Hast du nun verstanden?“, fragte Wittiges erbittert. „Antworte mir und du bist in Sicherheit oder weigere dich und ...“ Er hielt dem Mann die Klinge wieder an den Hals.
Nikodemus schluckte, während ihm Tränen über die Wangen liefen. „Ich habe die Schließe einem Unbekannten abgekauft, der zusammen mit einem anderen in der Stadt auftauchte. Sie hatten noch mehr anzubieten. Ich hab ihnen außer der Schließe auch ein Schwert abgenommen. Sie wollten bloß zu Geld kommen, verstehst du? Und sie haben nichts über die Herkunft der Sachen verraten. Ich hab allerdings auch nicht gefragt. Zurzeit stellt hier niemand gern Fragen.“
Wittiges war wie betäubt. Wieder waren seine Ermittlungen in eine Sackgasse geraten. Es war zum Verzweifeln. Er versuchte, ein Verbrechen aufzuklären und beging selbst eins: Er bedrohte einen unbescholtenen Bürger mit der blanken Waffe. Gerade, als er das Messer zurückziehen wollte, fiel ihm noch etwas ein.
„Wieso stellt hier niemand Fragen? Warum sagst du so etwas?“
„Kann ich mich aufsetzen?“, flehte Nikomedes. Wittiges zog sein Schwert und richtete die Spitze auf Nikomedes’ Brust. Falls der Händler ein Messer unter dem Kopfkissen versteckt hielt, würde er ihn auf diese Weise daran hindern, es hervorzuziehen.
„Bitte“, sagte er. „Aber keine falsche Bewegung!“
Mit größter Vorsicht setzte sich Nikomedes auf.
„Also?“, fragte Wittiges erneut.
Nikomedes vermied, seinem Blick zu begegnen. „Hast du nichts von den Unruhen gehört? Darüber gehen die wildesten Gerüchte um. Es könnte Krieg geben. Jeder hier hat Angst.“
Fürchteten sich die Leute vor den Langobarden?, fragte sich Wittiges. Hielten sie Guntram für unfähig, Burgund zu verteidigen?
„Zeig mir dieses Schwert, das du gekauft hast“, forderte er.
„Es liegt auf der Truhe hinter mir.“
Wittiges hatte bisher mit einem Bein auf der Bettkante gekniet, stand nun auf, beugte sich vor und entdeckte die kleine Truhe, die hinter dem Bett stand. In einer Hand hielt er seine Waffe und bedrohte Nikomedes weiterhin damit, mit der anderen langte er nach dem Schwert und warf es auf die Bettdecke.
Wenn er bei der Gürtelschließe schon kaum Zweifel gehegt hatte, so beim Schwert noch weniger: Beides hatte Cniva gehört und damit wusste er, was er schon geahnt hatte: Cniva war tot, denn freiwillig hätte er sich nicht von diesen Besitztümern getrennt.
„Weißt du wenigstens, woher die Männer kamen?“
Nikodemus zögerte mit der Antwort. „Waren es Burgunder?“, hakte Wittiges nach.
„O ja, das waren sie“, keuchte der Händler. Auf einmal griff er sich ans Herz und fiel mit einem klagenden Schrei zurück in die Kissen. Seine Augen zeigten nur noch das Weiße.
Rasch legte Wittiges ihm unterhalb des
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