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Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Titel: Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Maaser
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ich erinnere mich an dich.“
    „Gott sei Dank!“, stieß Wittiges erleichtert hervor. „Entschuldige, Samuel, ich habe die Sache vollkommen falsch angefangen. Ich hätte gleich sagen müssen, dass wir uns kennen. Und? Begleitest du mich nun? Ich brauche deine Hilfe für Nikomedes, den Händler, der ...“ Er brach ab.
    Wieder schüttelte der Jude energisch den Kopf.
    „Es ist unmöglich. Ich kann das Haus nicht verlassen.“
    Eine Welle von Zorn wallte in Wittiges auf. „Ich denke, du bist Arzt! Und du weigerst dich, einem angesehenen Bürger dieser Stadt, die dir großzügig Wohnrecht gewährt, zu helfen?“ Juden waren längst nicht in allen fränkischen Städten willkommen, im Norden noch weniger als im Süden.
    „Du scheinst dich auszukennen“, sagte Samuel verächtlich. „Ja, die Stadt duldet uns. Und dennoch ... Geh jetzt!“ Er wurde laut. Das Kind schaute hasserfüllt zu Wittiges auf.
    Langsam sah Wittiges ein, dass hier keine Hilfe zu erwarten war. Besser, er ging und hörte auf, diese Familie zu drangsalieren, nur weil er Hilfe wollte, um die Folgen seiner eigenen Missetat zu mildern.
    „Nikodemus? Was fehlt ihm?“, fuhr der Arzt zu seiner Überraschung fort.
    „Du kennst ihn?“ Neue Hoffnung wallte in Wittiges auf.
    „Wenn es der Dicke ist, der nicht weit von der großen Kirche im Händlerviertel wohnt, ja. Noch einmal, was fehlt ihm?“
    Jetzt musste Wittiges Farbe bekennen, oder seine ganze Anstrengung war umsonst. „Ich habe ihn zu Tode erschreckt“, antwortete er dumpf. Er stockte, sammelte sich und begann von Neuem, diesmal mit hörbarer Verzweiflung. „Ich bin auf der Suche nach meinem Sohn, der vor einem Jahr hier in der Stadt verschwunden ist. Seit Tagen frage ich überall herum, um eine Spur von ihm zu finden. Es muss diese Spur geben. Und  heute habe ich bei Nikodemus etwas herausgefunden, aber er wollte nicht recht mit der Sprache heraus. Deshalb ... deshalb ... habe ich ihm einen zweiten Besuch abgestattet, vorhin. Ich habe ihn ... er ist in seinem Bett zusammengesunken und rührt sich nicht mehr. Es ist nur noch das Weiße in seinen Augen zu sehen.“
    „Schlägt sein Herz noch?“, fragte der Arzt ungerührt.
    Überrascht von diesem ganz und gar nüchternen Ton schaute Wittiges auf und nahm eindeutige Neugier in den Augen des anderen wahr.
    „Ja, ja! Ich hab nach seinem Puls gefühlt. Er schlägt unregelmäßig, aber er schlägt.“
    „Dann brauchst du dir keine allzu großen Sorgen um Nikodemus zu machen. Er hat zu viel träges Blut in den Adern. Ich hab ihm oft genug geraten, weniger zu essen, vor allem von den fetten Speisen und den Süßigkeiten, die er so sehr liebt. Wenn die Osterfeierlichkeiten vorüber sind und ich das Haus wieder verlassen kann, werde ich nach ihm sehen. Spätestens wenn ich ihn zur Ader gelassen habe, kommt er wieder auf die Beine.“
    Wittiges hatte sich an die Wand des engen Flurs gelehnt. „Wieso nicht gleich?“
    Samuel seufzte und wies den Flur entlang. „Komm mit. Ich sehe, du lässt nicht locker, und ich schulde dir noch etwas, wie ich mich dunkel entsinne.“
    Er ging voraus und führte ihn an einer offen stehenden Tür vorbei. Wittiges blickte in einen Raum, der von einem hohen siebenarmigen Silberleuchter wundersam erhellt wurde. An einem Tisch saß eine Frau, den Kopf mit einem schwarzen Schleier bedeckt, neben ihr saßen zwei kleine, dunkel gekleidete Mädchen, auf die sie mit leiser Stimme einsprach. Auf dem Tisch stand ein Krug mit Wein, und auf einem großen Teller waren einige mit irgendwelchen Köstlichkeiten gefüllte Schälchen angeordnet. Ein Hauch von Zimt und Ingwer hing in der Luft, so sündteuren Gewürzen, dass Wittiges sich fragte, wie einträglich die Heilkunst des Hausherrn wohl sein mochte. Neben dem Teller lag ein großer, dünner Fladen sehr hellen Brots.
    Der Arzt beugte sich zu seinem Sohn hinab, flüsterte ihm etwas ins Ohr und schob ihn durch die Tür zum Rest der Familie. Wittiges ließ er in einem kleinen, karg eingerichteten Raum allein, nachdem er die Kerze abgestellt hatte. Kurz darauf kehrte er in Begleitung einer sehr jungen Magd zurück, die scheu einen Weinkrug, zwei schlichte Tonbecher mit Kerbschnitt am Rand und ein Stück von diesem wunderbar hellen Brot auf den Tisch in der Mitte des Raums stellte und sofort wieder ging.
    Behutsam nahm der Jude das Brot in die Hand, murmelte einen Segen, brach ein Stück ab und reichte es Wittiges. Ihm ging auf, dass er an einer kleinen Zeremonie teilnahm, und er

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