Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
Erbsen, um mit der kargen Kost alle fleischlichen Begierden abzutöten und den Leib auf das Vergehen vorzubereiten. Keine anständige Seife zum Waschen, niemals mehr baden.“ Allmählich wurde ihre Stimme lauter und eindringlicher. „Du darfst niemals wieder einen Fuß vor die Klostermauern setzen, sondern wirst innerhalb der Mauern bis an dein Lebensende ausharren und schließlich dort begraben werden. Du spürst nicht mehr das grobe kratzige Gewand, denn du trägst wie Radegunde einen mit Eisenzacken besetzten Bußgürtel auf der nackten Haut, die mit Schorf und Geschwüren bedeckt ist. Verstehst du? Aber das ist längst nicht alles. Dein Geist wird auf immer der Klosterregel unterworfen sein, die absoluten Gehorsam verlangt, selbst von einer Königstochter. Glaub mir: Für dich wird es keine Ausnahme geben, im Gegenteil, deine Großtante Radegunde wird von dir mehr Demut erwarten als von allen anderen Nonnen, genau so, wie sie es für sich selbst bestimmt hat. Das wird ihr Eintrittsgeschenk für dich sein. Willst du das alles?“
Ingunds Augen schimmerten wie in einem glücklichen Traum. „Ja, Mutter, aus ganzem Herzen“, hauchte sie ergriffen.
„O nein, du wirst weder einen Bußgürtel tragen noch deine schöne Haut misshandeln, das lasse ich nicht zu!“, rief Brunichild aufgebracht. „In drei Wochen reist du nach Spanien, mein Kind, zu deiner überaus glanzvollen Hochzeit. Nimm es als die Prüfung, die dir bestimmt ist.“
Ingund begann zu schreien, und Brunichild schämte sich unsäglich, nicht nur vor Gogo, der Zeuge ihres Versagens war, sondern vor allem vor ihrer Tochter. Wie hatte sie sie nur so unterschätzen können? Ihre Frömmigkeit war keineswegs die kapriziöse Laune eines verwöhnten Kindes. Und sie würde dieses Kind verlieren. Nun war ihr selbst elend zumute. Der Verlust wog viel schwerer, als sie jemals gedacht hatte. Voller Qual zog sie das Mädchen wieder an sich, während sie selbst zu weinen begann, vor Trauer über ein Schicksal, das sich nicht abwenden ließ.
Leise zog sich Gogo zurück und ging hinaus, um sie mit ihrer Tochter allein zu lassen.
7
Orléans hatte nie zu Burgundia gehört, warum also sollten sich die burgundischen Verschwörer hier treffen? Vielleicht, weil sie niemand hier vermutete. Immerhin gehörte Orléans jetzt zu Guntrams Herrschaftsbereich. Wittiges hielt sich seit etwa zehn Tagen in der Stadt auf und zog durch alle Gasthäuser. Vom schweren Wein der Gegend schmerzte ihm täglich der Kopf ein wenig mehr. Aber das Trinken gehörte zu seiner Tarnung als ganzer Kerl, der seinen Schwertarm an denjenigen verkaufen wollte, der genug dafür zahlte. Hin und wieder ließ er sich mehr oder weniger kritisch über König Guntrams Herrschaft aus, in der Hoffnung, dass ihm jemand beipflichtete. Er hatte sich ausgerechnet, dass die Führer der Verschwörung Angehörige der alten, landbesitzenden Familien mit Geld sein mussten, sonst ergab der Aufstand keinen Sinn. Es ging um Macht und Machtverteilung, was sonst? Ein- oder zweimal erwähnte er auch, dass er ein Kind suche, an dessen Person sich sehr viel Hoffnung knüpfe.
Er konnte sich glücklich schätzen, dass er es überhaupt bis Orléans geschafft hatte. Zweimal war er in einen Hinterhalt geraten, und nur die Ausdauer und Wendigkeit seines Pferds hatten ihn aus der Gefahr errettet. Immer mehr lernte er den kleinen Hengst Odilo zu schätzen, trauerte aber trotzdem dessen Vater Bauto noch nach.
Erschwert wurde die Reise zusätzlich durch das große Misstrauen der Leute auf dem Land, die gelernt hatten, in jedem, der des Wegs kam, den Kundschafter einer Mörder- oder Diebesbande zu sehen. Es war daher fast unmöglich, in den kleinen Dörfern am Wegrand eine anständige und einigermaßen sichere Unterkunft zu finden. Dreimal übernachtete er in Klöstern und hörte sich die Klagen der Mönche an. Auch ihre Lage war schlecht. Zu oft waren die Felder, die ihnen gehörten, von durchziehenden Kriegshorden zertrampelt und zu viel von der Ernte war gestohlen worden. Und überhaupt fehlte es an Bauern, die das Land zu bestellten. Langsam bluteten die ewigen Kriege die Frankenreiche aus. Eine Ursache des Übels war die seltsame und aller Vernunft widersprechende Erbteilung der südwestlichen Städte und Provinzen unter den Königen, die einer Zerstückelung der gesamten Region gleichkam.
Auch Orléans, mutmaßte Wittiges, hatte schon bessere Zeiten erlebt. Bettler überfüllten die Armenhäuser und trieben sich tagsüber in
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